ADF-Inkasso-Newsticker 01/2010


Ende des fliegenden Gerichtsstands?

Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass bei Urheberrechtsverletzungen Ort der Verletzungshandlung nicht der Ort, an dem die Lizenz einzuholen gewesen wäre, sondern der Ort ist, an dem die nur entgeltlich gestattete Handlung vorgenommen wird.

Damit hat das OLG München die Auslegung des § 32 ZPO eingeschränkt. Denn diese Bestimmung wird bislang insbesondere bei Urheber- oder Wettbewerbsverletzungen von der Verletztenseite zitiert, um so ein "beliebiges" - für den Kläger als günstig empfundenes - Gericht anzurufen.

Das OLG München folgt dabei der "neueren" Rechtsprechung, in der „eine Tendenz zu beobachten ist, den "fliegenden Gerichtsstand der bestimmungsgemäßen Verbreitung", der als zu ausufernd empfunden wird, einzuschränken und zusätzlich einen gewissen Ortsbezug bzw. die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im betreffenden Gerichtsbezirk zu fordern".

Quelle: OLG München, AZ.: 31 AR 232/09


Geschiedenenunterhalt: Anrechnung nicht entnommener Unternehmergewinne

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens machte die Ehefrau eines Unternehmers u.a. Unterhaltsansprüche geltend. Sie warf ihrem Ehemann, der zu 80 Prozent Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH war, vor, er verlange gegenüber der GmbH seine Gewinnansprüche bewusst nicht in voller Höhe, um so seine Unterhaltsverpflichtungen möglichst gering zu halten. Der Mann führte unternehmerische Gründe für die Nichtauszahlung an. Das Oberlandesgericht Hamm stellte zu derartigen Fällen der Anrechnung nicht entnommener Unternehmergewinne folgende Regeln auf:

"Eine fiktive Zurechnung von nicht ausgeschütteten Gewinnen aus dem Betrieb eines Unternehmens zulasten des unterhaltspflichtigen geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters setzt voraus, dass dieser seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, zumutbare Gewinne aus dem Unternehmen zu realisieren, in vorwerfbarer Weise verletzt hat. Vorwerfbar ist das Unterlassen einer Gewinnausschüttung an die Gesellschafter nur dann, wenn der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter die Grenzen seiner unternehmerischen Freiheit in einer Art und Weise überschreitet, die dem Unterhaltsgläubiger, unter Berücksichtigung der Belange der übrigen Mitgesellschafter und der Interessen der Unterhaltsberechtigten auf dauerhafte Sicherstellung ihres Unterhalts, nicht zumutbar ist. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen."

Quelle: OLG Hamm, AZ: 2 UF 43/08


Haftung des Mitdarlehensnehmers

Wer als Angehöriger eine Bürgschaft oder eine sonstige Mithaftung für einen Bankkredit eingeht und aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit der eingegangenen Verpflichtung in eklatanter Weise überfordert ist, hat vor Gericht gute Chancen, dass der Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig und damit unwirksam erklärt wird. Diese Möglichkeit besteht jedoch dann nicht, wenn der Angehörige rechtlich als Mitdarlehensnehmer mit einem Eigeninteresse an der Kreditgewährung anzusehen ist. Der Bundesgerichtshof zeigt die dabei entstehenden Beweisfragen auf.

Die kreditgebende Bank muss grundsätzlich darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft vorliegen. Spricht hierfür der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrags, hat der Schuldner nach den Regeln über die sekundäre Darlegungslast darzutun, dass er nicht das für eine Mitdarlehensnehmerschaft notwendige Eigeninteresse an der Kreditaufnahme besaß. Der vorliegende Prozess ging zu Ungunsten der (mittlerweile geschiedenen) Ehefrau eines Handwerkers aus, die einen für den Betrieb abgeschlossenen Kreditvertrag als "2. Kreditkonto-Inhaber (Ehegatte)" unterschrieben hatte. Sie konnte nicht nachweisen, dass die Kreditaufnahme nicht auch in ihrem eigenen Interesse erfolgt war.

Quelle: BGH, AZ: XI ZR 454/07 /td>


Insolvenzverwalter kann Parteispende zurückfordern

Nach einer Regelung in der Insolvenzordnung kann der Insolvenzverwalter Geschenke des zahlungsunfähigen Unternehmens bis zu einem Zeitraum von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung zurückfordern. Das Recht steht ihm auch zu, wenn das Pleiteunternehmen innerhalb dieses Zeitraums einer politischen Partei einen vierstelligen Betrag gespendet hat. Ob die Partei das Geld noch hat, ist unerheblich. Sie muss den erhaltenen Betrag der Insolvenzmasse zur Verfügung stellen.

Quelle: OLG Celle, AZ.: 13 U 18/08 /td>


Keine Kontoumschreibung des Bevollmächtigten nach Erbfall

Hat ein späterer Erblasser seiner Ehefrau eine Vollmacht über sein Girokonto erteilt, die nach dem Wortlaut über seinen Tod hinaus wirksam bleiben sollte ("transmortale" Kontovollmacht), berechtigt die Vollmacht grundsätzlich weder zu Lebzeiten des Erblassers noch nach seinem Tod zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten. Der in der vorliegenden Vollmachtsurkunde verwendete Begriff der "unbeschränkte(n) Verfügung" rechtfertigt keine andere Auslegung. Schreibt die kontoführende Bank das Konto gleichwohl auf den Namen der Ehefrau um, kann der Alleinerbe des Verstorbenen von dem Kreditinstitut den Ersatz des Guthabens zum Zeitpunkt der Umschreibung verlangen.

Quelle: BGH, AZ.: XI ZR 191/08 /td>


Keine Prozesskostenhilfe für Klage gegen Briefkastenfirma

Der Staat muss einem Verbraucher nicht bei einer Klage auf Einhaltung einer Gewinnzusage helfen. Wer also mit diesem Ziel gegen eine Briefkastenfirma vorgeht, könne dabei nicht auf Prozesskostenhilfe pochen.

Denn in diesen Fällen könne der Kläger selbst bei einem erfolgreichen Prozess seine Forderung meist nicht durchsetzen - daher komme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht infrage.

In dem Fall wollte ein Mann vor Gericht eine Gewinnzusage einklagen. Allerdings handelte es sich bei dem beklagten Unternehmen um eine in der Schweiz ansässige Firma, die dort auch nur eine Briefkastenadresse unterhält. Zwar könne der Kläger durchaus mit einer Verurteilung der Firma rechnen - das Urteil sei aber voraussichtlich nicht durchsetzbar, heißt es in der Begründung. Die Richter machten deutlich, ein Kläger, der einen solchen Prozess aus eigener Tasche finanzieren müsste, würde wohl auch von einer Klage absehen. Daher sei eine Prozessführung auf Kosten des Steuerzahlers nicht vertretbar.

Quelle: OLG Koblenz, AZ: 5 W 282/09 /td>


Steuerklassenwechsel bringt mehr Elterngeld

Elterngeld wird grundsätzlich nach dem durchschnittlichen monatlichen Erwerbseinkommen des Berechtigten in den letzten zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes berechnet. Dabei sind u.a. die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern abzuziehen. Das Elterngeld beträgt 67 Prozent des so ermittelten Einkommens. Das Bundessozialgericht hat in zwei Fällen entschieden, dass der von den verheirateten Frauen während ihrer Schwangerschaften veranlasste Wechsel der Lohnsteuerklasse bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen ist. In beiden Fällen führte der Wechsel der Steuerklassen zu geringeren monatlichen Steuerabzügen vom Arbeitsentgelt. Gleichzeitig stiegen allerdings die von ihren Ehegatten entrichteten Einkommensteuerbeträge so stark an, dass sich auch die monatlichen Steuerzahlungen der Eheleute insgesamt deutlich erhöhten. Dieser Effekt wurde bei der späteren Steuerfestsetzung wieder ausgeglichen.

Entgegen der Auffassung des beklagten Freistaates hielten die Bundesrichter das Verhalten der jungen Mütter nicht als rechtsethisch verwerflich und damit nicht für rechtsmissbräuchlich. Der Steuerklassenwechsel war nach dem Einkommensteuergesetz erlaubt. Seine Berücksichtigung ist durch Vorschriften des Bundeselterngeld- und Erziehungszeitengesetzes (BEEG) weder ausgeschlossen noch sonstwie beschränkt.

Quelle: BSG, AZ.: B 10 EG 3/08 R und 4/08 R /td>


Unbefristeter Unterhalt nach langer Ehezeit und schwerer Erkrankung

Eine Ehefrau muss eine Befristung ihrer nachehelichen Unterhaltsansprüche nicht hinnehmen, wenn sie nach 26-jähriger Ehe, während der sie den Haushalt versorgt und vier gemeinsame Kinder großgezogen hat, an Krebs erkrankt und dadurch zu 100 Prozent erwerbsunfähig wird. Der Bundesgerichtshof lehnte einen Antrag des Ehemanns, eines Beamten mit monatlichen Nettobezügen von ca. 2.500 Euro, auf Befristung des zuletzt geschuldeten Unterhalts von monatlich 102 Euro nun in letzter Instanz ab. In diesem Fall gebieten es die von der Ehefrau für die Familie erbrachte Leistung und die über das Übliche hinausgehende nacheheliche Solidarität, ihr einen unbefristeten Unterhaltsanspruch zuzuerkennen.

Quelle: BGH, AZ.: XII ZR 111/08 /td>


Unterhaltskürzung geht nicht zulasten von Arbeitslosengeld II-Empfänger

Bei der Berechnung der Grundsicherung durch das Arbeitslosengeld II sind Unterhaltsleistungen an den Hilfebedürftigen nur insoweit in Abzug zu bringen, als diese tatsächlich gezahlt werden. Kürzt der Unterhaltspflichtige den Unterhalt - wie in diesem Fall z.B. durch Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen aus einem Darlehen - ist das Arbeitslosengeld entsprechend zu erhöhen.

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz begründete dies damit, dass die Unterhaltskürzung nicht zulasten des Hilfebedürftigen gehen darf, da diesem die Kürzungsbeträge tatsächlich nicht zur Verfügung stehen. Denn anderenfalls würde die Sicherung des lebensnotwendigen Bedarfs als Zweck des Arbeitslosengeldes II verfehlt. Unerheblich war hierbei auch, dass die Aufrechnung rechtlich unwirksam war, da gegen eine nicht pfändbare Forderung wie den Unterhaltsanspruch nicht aufgerechnet werden kann.

Quelle: LSG Rheinland-Pfalz , AZ.: L 5 AS 81/07 /td>


Vor drohender Zwangsvollstreckung übergebener Scheck

Der Insolvenzverwalter kann eine Leistung des Schuldners, die dieser vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat und durch die Insolvenzgläubiger benachteiligt werden, dann nicht anfechten, wenn die Leistungserbringung im Rahmen der Zwangsvollstreckung durch einen Gläubiger erfolgte. Dem steht es nicht gleich, wenn der Schuldner der anwesenden Vollziehungsperson (hier Finanzbeamter) zur Vermeidung eines Pfändungsversuchs einen Scheck über den geforderten Betrag übergibt.

Eine Ausnahme lässt der Bundesgerichtshof lediglich für den Fall zu, dass der Schuldner nur noch die Wahl zwischen Zahlung und Duldung der Zwangsvollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson (Gerichtsvollzieher oder Finanzbeamter) hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn - wie hier - die Zwangsvollstreckung mangels pfändbarer Gegenstände voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Dann ist der Insolvenzverwalter berechtigt, den mittels Scheck übergebenen Betrag zurückzufordern.

Quelle: BGH, AZ.: IX ZR 22/07 /td>


Wiederaufleben einer Darlehensforderung nach gescheiterter Tilgung

In einem Darlehensvertrag war vereinbart worden, dass zur Tilgung eines Geschäftsdarlehens u.a. eine Versicherungsleistung (hier zugunsten der Ehefrau des Schuldners) verwendet werden soll. Nach Eingang der Versicherungszahlung waren die Darlehensforderungen der Bank völlig ausgeglichen. Später musste die Versicherungsleistung allerdings wieder zurückgezahlt werden. Daraufhin leitete die Bank die Verwertung der bestellten Sicherungsgrundschuld in die Wege.

Das Oberlandesgericht erklärte diese Maßnahme für rechtens. Auch wenn das Geldinstitut die Versicherungsleistung zunächst als Erfüllung angenommen und das Darlehenskonto infolge dieser Tilgung geschlossen hat, besteht die Darlehensforderung fort. Die Bank durfte sich daher des ihr eingeräumten Sicherheitsmittels bedienen.

Quelle: OLG Nürnberg, AZ.: 14 U 1058/08 /td>


Zugewinnausgleich: Ausschluss wegen persönlichen Verhaltens

Der Ausgleich des Vermögens bei der Scheidung eines im gesetzlichen Güterstand verheirateten Ehepaars erfolgt im Wege des Zugewinnausgleichs. Bei der Durchführung werden Anfangs- und Endvermögen der Eheleute gegenübergestellt. Jeder Ehepartner hat gegenüber dem anderen einen Anspruch auf Auskunft über sein Endvermögen. Der Ausgleichspflichtige kann nach § 1381 BGB die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat.

Auch persönliches Fehlverhalten (hier massive körperliche Misshandlungen und ehebrecherisches Verhalten des Ehemanns) kann im Einzelfall zu einem Ausschluss der Ausgleichspflicht führen. Hat sich das Fehlverhalten jedoch nicht wirtschaftlich ausgewirkt, ist für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ein strenger Maßstab anzusetzen. Dies gilt vor allem dann, wenn - wie hier - das Endvermögen der ausgleichspflichtigen Ehefrau ganz überwiegend vom ausgleichsberechtigten Ehemann durch dessen unternehmerische Leistung erwirtschaftet worden ist. Im Ergebnis reichten die von der Ehefrau behaupteten Verfehlungen - ihre Richtigkeit unterstellt - nicht zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs aus.

Quelle: OLG Düsseldorf, AZ.: II-8 UF 55/05