GmbH-Geschäftsführer haften für Steuerausfälle

Der Geschäftsführer einer GmbH muss auch bei unvorhersehbarer Insolvenzreife der Gesellschaft persönlich für die Abführung der Lohnsteuer einstehen.

Solange und soweit liquide Mittel zur Lohnsteuerzahlung vorhanden sind, muss der Geschäftsführer Lohnsteuer abführen. Erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise die Bestellung eines Insolvenzverwalters enthebt ihn von dieser Pflicht.
 
Der Sachverhalt:
Der Kläger war zusammen mit einem weiteren Gesellschafter Geschäftsführer einer GmbH. Die Lohnsteueranmeldung der GmbH für Juli 2001 über insgesamt rund 79.250 Euro ging am 06.08.2001 beim Finanzamt ein. Am 10.08.2001 stellten die Geschäftsführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Einen Monat später wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und am 31.10.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.
 
Wegen der am Tag des Eröffnungsantrags fälligen, nicht abgeführten Lohnsteuer 7/2001 nahm das Finanzamt die Geschäftsführer gemäß §§ 69, 34, 35 AO in Haftung. Der Kläger war der Auffassung, dass ihm keine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Im Zeitpunkt des Insolvenzantrags habe die GmbH zwar über genügend Mittel verfügt, die Lohnsteuer 7/2001 zu zahlen. Aber aufgrund der beim Insolvenzgericht am Tag der Antragstellung eingeholten Auskünfte hätte er sich nicht länger berechtigt gefühlt, Zahlungen für die GmbH anzuweisen.
 
Das FG verneinte eine Haftung des Klägers für die Säumniszuschläge und wies die Klage wegen der Hauptforderungen ab.
 
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage insgesamt statt.
 
Die Gründe:
Zwar hat das FG zutreffend erkannt, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zur Abführung der einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuer 7/2001 am 10.08.2001 verpflichtet war. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls kann die Nichterfüllung dieser Pflicht aber nicht als grob fahrlässig gewertet werden.
 
Der Geschäftsführer einer GmbH muss auch bei unvorhersehbarer Insolvenzreife der Gesellschaft persönlich für die Abführung der Lohnsteuer einstehen. 
 
Solange und soweit liquide Mittel zur Lohnsteuerzahlung vorhanden sind, muss der Geschäftsführer Lohnsteuer abführen. Erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise die Bestellung eines Insolvenzverwalters enthebt ihn dieser Pflicht.
 
Das FG hat allerdings unter den im Streitfall gegebenen besonderen Umständen zu hohe Anforderungen an die Sorgfalt gestellt, die von einem Geschäftsführer zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten erwartet werden konnte. Es hat vor allem nicht hinreichend in Betracht gezogen, ob angesichts der seinerzeit noch nicht aufgelösten Pflichtenkollision zwischen Massesicherung und Steuerzahlung, der sich ein Geschäftsführer in insolvenzreifer Zeit ausgesetzt sah, die nachgewiesenen Aktivitäten des Klägers in der finanziellen Krise seiner GmbH geeignet und ausreichend waren, um die grobe Fahrlässigkeit auszuschließen.
 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2001 in der zivilrechtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten worden war, dass sich der Geschäftsführer, der in insolvenzreifer Zeit Steuern an das Finanzamt abführt, der GmbH gegenüber gemäß § 64 Abs.2 GmbHG schadenersatzpflichtig machte. Andererseits entfiel die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung nicht dadurch, dass sie möglicherweise mit einer privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtung gemäß § 64 GmbHG konkurrierte.
 
Infolgedessen konnte dem Kläger, der sich angesichts dieser unterschiedlichen Normbefehle einer vermeintlich unabwendbaren Haftungsdrohung ausgesetzt sah und die Maßnahmen des Insolvenzgerichts abwartete, nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden.
 
Hintergrund:
Das Urteil bedeutet eine Fortentwicklung der bisherigen BFH-Rechtsprechung in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des BGH, nach der sich aus der Abführung der Lohnsteuer keine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft ergibt.
 
Der BFH hatte die scheinbar unausweichliche Haftung des Geschäftsführers einer insolvenzreifen GmbH zwischenzeitlich dadurch entschärft, dass er für den Drei-Wochen-Zeitraum zwischen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Geschäftsführer eine Pflichtenkollision attestierte, die ihm vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit befreite. Diese Pflichtenkollision entfällt nun.
 
BFH, AZ.: VII R 27/07