Mit professionellem Forderungsmanagement durch die Finanzkrise

Die globale Finanzkrise erschüttert derzeit nicht nur das internationale Bankensystem. Auch deutsche Unternehmen geraten zunehmend unter Druck. Die Krise könnte im nächsten Jahr bis zu 35.000 Unternehmensinsolvenzen zur Folge haben. In einer gemeinsamen Pressekonferenzen fordern der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) und der Verein für Credit Management (VfCM) ein besseres Forderungsmanagement für Unternehmen, um ein Ausweiten der Krise zu verhindern.

Ob deutsche Auto- und Maschinenbauer oder Chemieunternehmen: Viele Branchen müssen ihre Prognosen derzeit deutlich nach unten korrigieren. Gerade Autohersteller, die ihren Kunden oftmals die Neuwagen finanzieren, verkaufen weniger Wagen. Deutsche Maschinenbauer vermerken seit fast einem halben Jahr weniger Aufträge als im Vorjahr, die Auslandsnachfrage bricht spürbar ein. Und auch die hiesigen Chemieunternehmen bekommen die Folgen der Finanzkrise und die abnehmende Konjunktur zu spüren. Ihre so verminderte Liquidität versuchen sich viele Unternehmen in dieser Situation verstärkt bei ihren Auftragnehmern zu holen, indem sie Rechnungen später bezahlen als üblich. "Die Zahl der gewerblichen Schuldner, die einen sogenannten Lieferantenkredit beanspruchen, nimmt aktuell wieder deutlich zu", so Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen. "Das Ausnutzen von Zahlungszielen und zunehmende Überschreiten von Zahlungsfristen sind Anzeichen für ein baldiges Nachlassen der Konjunktur und der Zahlungsmoral. Und sie zeigen auch: Der kräftige Aufschwung ist vorbei und wir stehen am Rande der Rezession."

Unternehmensinsolvenzen nehmen wieder zu

Dies wird auch die Stabilität der Unternehmen beeinträchtigen. Die Zahl der Firmeninsolvenzen steigt. Nachdem sie in den ersten Monaten des Jahres noch deutlich rückläufig war, drehte dieser Trend zur Jahresmitte. Bereits im Juli meldeten die Gerichte 8,5 % mehr insolvente Unternehmen als noch im Vorjahresmonat. Für das Gesamtjahr erwartet der BDIU rund 30.000 Firmenzusammenbrüche und damit etwa gleich viele wie noch im vergangenen Jahr (29.160). "Dieser moderate Anstieg ist noch nicht der Finanzkrise zuzurechnen", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz, "sondern eher dem sich bereits seit längerem abzeichnenden Abflauen der allgemeinen Wirtschaftsleistung." Unternehmensinsolvenzen seien ein konjunktureller Spätindikator, der erst mit einem gewissen Abstand auf die wirtschaftliche Entwicklung reagiere. "Aufgrund der aktuellen Probleme müssen wir allerdings davon ausgehen, dass im nächsten Jahr wieder deutlich mehr Firmen insolvent werden", so Spitz. Für 2009 hält der Verband einen deutlichen Anstieg auf bis zu 35.000 Insolvenzen für möglich.

Ähnliche Krisenszenarien, wie sie derzeit vor allem im internationalen Bankensektor zu beobachten sind, hält der BDIU in der heimischen Wirtschaft derweil für unwahrscheinlich. "Die Krise im Finanzsektor muss für deutsche Unternehmen keine nachhaltige neue Pleitewelle bedeuten", sagt Spitz. "Und im Übrigen gilt: Panik ist immer ein schlechter Ratgeber. In Zeiten der Krise ist besonnenes Handeln von Politik, Finanzwirtschaft und Unternehmen das Gebot der Stunde."

Negative Folgen befürchtet

Zum Schutz von durch Insolvenz bedrohter Unternehmen will das Bundeskabinett jetzt kurzfristig das Insolvenzrecht ändern. Betriebe mit einer vorübergehenden bilanziellen Unterdeckung müssen demnach keinen Insolvenzantrag stellen, wenn sie voraussichtlich mittelfristig ihre Zahlungen leisten können. Damit will das Kabinett Firmen helfen, die aufgrund Wertverlusten ihrer Aktien und Immobilien rechnerisch überschuldet sind. "Grundsätzlich sind Hilfsmaßnahmen natürlich zu begrüßen", sagt der BDIU-Präsident dazu. "Allerdings könnte sich eine deutliche Lockerung des Insolvenzrechts langfristig negativ auf das Wirtschaftsgefüge auswirken." So soll jetzt eine "positive Fortführungsprognose" ausreichen, damit bilanziell überschuldete Firmen wirtschaftlich weiter bestehen können. "Prognosen haben es nun mal an sich, dass sie nicht immer ins Schwarze treffen", mahnt Spitz. "Auf lange Sicht kann es für kleine und mittlere Unternehmen also noch schwerer werden, an günstige Kredite zu kommen. Der Darlehensgeber müsste ja noch mehr als bisher darauf vertrauen, dass ein Unternehmen trotz einer ersten finanziellen Krise glänzende Zukunftsaussichten hat."

Keine akute Kreditklemme im Mittelstand

In diesem Jahr besonders betroffen von Insolvenzen sind kleine Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern. Sie machen gut vier Fünftel aller zahlungsunfähigen Betriebe aus. Ihr Problem ist häufig, dass sie nicht über ausreichend Liquidität verfügen, um vorübergehende Zahlungsengpässe zu überbrücken. Auch der Mittelstand steht zunehmend vor Problemen. "Wir sehen zwar keine allgemeine Kreditkrise für die Unternehmen", berichtet Jan Schneider-Maessen aus der Praxis. Schneider-Maessen ist Vorsitzender des Vereins für Credit Management und vertritt die mit der Kreditvergabe betrauten leitenden Mitarbeiter der Verkaufs- und Finanzleitung von Unternehmen. "Firmen, die solide aufgestellt sind, bleiben auch in der aktuellen Finanzkrise gern gesehene Kunden der Finanzinstitute. Wir beobachten aber, dass Unternehmen mit einem schlechteren Rating oder einer geringeren Eigenkapitalausstattung von den Banken derzeit deutlich kritischer beurteilt werden als bislang üblich." Schwierig ist die Situation offenbar vor allem für kleine Unternehmen. Wer weniger als eine Million Euro Umsatz im Jahr macht, kann aktuell Schwierigkeiten haben, neue Kredite zu bekommen. "Umso wichtiger ist es daher, Forderungsausfälle unbedingt zu vermeiden", ergänzt BDIU-Präsident Spitz.

Eine wertvolle Absicherung gegen drohende Zahlungsausfälle können sogenannte Scoringverfahren sein. Dazu teilen Unternehmen ihre Kunden in Risikoklassen ein und machen sich darüber ein Bild von deren Bonität. Die größten Vorteile haben die Unternehmen laut BDIU-Herbstumfrage durch deutlich geringere Forderungsausfälle (79 % der Befragten sehen das so). Immerhin 38 % der Befragten sind davon überzeugt, dass die Firmen ihren Kunden über dieses Instrument bessere Geschäftskonditionen einräumen können, und 37 % versprechen sich dadurch eine individuellere Kundenansprache.

Auch in der Inkassowirtschaft werden Scoringverfahren eingesetzt. 62 % der Befragten sehen die wesentlichen Vorteile vor allem in der Optimierung der Abläufe unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten, für 53 % wird dadurch eine individuellere Schuldneransprache möglich. 31 % der Inkassounternehmen nutzen Scoringverfahren in erster Linie, um sachgerechte Konditionen beim Forderungskauf zu vereinbaren.

Bonitätsinformationen nutzen Wirtschaft und Verbrauchern

"Um Zahlungsausfälle zu vermeiden, sind Informationen über die Bonität von Auftraggebern unverzichtbar", stellt BDIU-Präsident Wolfgang Spitz klar. "Dies ist auch im Interesse der Verbraucher, denn die Mehrkosten durch Forderungsverluste muss ein Unternehmen zwangsläufig durch höhere Preise für alle seine Güter und Dienstleistungen wieder ausgleichen." Eine Stärkung von Verbraucherrechten sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. Die bisher vorliegenden Entwürfe zu einer Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes sehen allerdings sowohl BDIU als auch der VfCM äußerst kritisch, da sie den Zugang zu Daten für Unternehmen deutlich verschlechtern würden. "Nur mit einer guten Datenbasis können Unternehmen realistisch einschätzen, wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Forderung ist, und wirtschaftlich verantwortlich handeln", unterstreicht der VfCM-Vorsitzende Schneider-Maessen. "Träte die Novellierung in dieser Form in Kraft, wäre eine zusätzliche Zunahme der Zahlungsausfälle die unvermeidbare Konsequenz."

Transparenz sei gerade bei der Gewährung von Konsumentenkrediten eine wichtige Stütze für die Unternehmen und das Finanzsystem insgesamt. Das komme letztlich den Verbrauchern zugute.

BDIU: Datenschutznovelle belastet Wirtschaft mit 239 Millionen Euro

Die Vorschläge von Bundesregierung und Bundesrat sehen unter anderem vor, dass Personen detailliertere Auskünfte über von ihnen gespeicherte Daten erhalten sollen. Der BDIU hat berechnet, dass dadurch auf die Unternehmen Zusatzkosten in Höhe von mindestens 239 Millionen Euro zukommen würden. "Wirtschaft und Verbraucher sind momentan genug damit beschäftigt, die Folgen der Finanzmarktkrise und der stockenden Konjunktur zu bewältigen", so BDIU-Präsident Spitz und VfCM-Vorsitzender Schneider-Maessen. "Ein Gesetz, das der Wirtschaft und damit auch den Verbrauchern neue Kosten auferlegt, ist unnötig und kommt zur falschen Zeit."
 
Quelle: BDIU