Bundestag macht Weg frei für neue "Ombudsstelle" der Rechtsanwaltschaft

Der Deutsche Bundestag hat gestern nahezu einstimmig (548 von 549 Stimmen) den Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht überstimmt. Damit ist endgültig der Weg frei für die Errichtung einer unabhängigen, bundesweit tätigen "Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft".

Die Neuregelung orientiert sich an dem Vorbild anderer erfolgreicher "Ombudsstellen" wie etwa bei Banken oder Versicherungen. Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wird bei der Bundesrechtsanwaltskammer angesiedelt werden. Ihre Unabhängigkeit von der Anwaltschaft wird durch die gesetzlichen Anforderungen an die Person des Schlichters und durch die vorgeschriebene Beteiligung eines Beirats sichergestellt. Dem Beirat, der bei der Ernennung des Schlichters und dem Erlass der Schlichtungsordnung mitwirkt, müssen neben Vertretern der Rechtsanwaltschaft mindestens paritätisch auch Vertreter der Verbraucherverbände und anderer Einrichtungen (Verbände der Wirtschaft, des Handwerks oder der Versicherungen) angehören.

Der Tätigkeitsbereich der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wird sich auf alle zivil-rechtlichen Streitigkeiten wie beispielsweise über die Höhe der Anwaltsvergütung (Honorarstreitigkeiten) oder über Haftungsansprüche des Mandanten gegen den Anwalt (Anwaltshaftung) erstrecken.

Die Teilnahme am Schlichtungsverfahren, dessen Durchführung sowohl der Rechtsanwalt als auch der Mandant beantragen können, ist für beide Seiten freiwillig.

Die neue Schlichtungsstelle ergänzt die bestehenden lokalen Schlichtungseinrichtungen der Rechtsanwaltskammern und eröffnet den Mandanten die Möglichkeit, die Berechtigung anwaltlicher Honorarforderungen oder das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen anwaltlicher Falschberatung durch eine von der Anwaltschaft unabhängige Institution überprüfen zu lassen, ohne sogleich den Rechtsweg beschreiten zu müssen.

Der Bundesrat hatte Einspruch eingelegt, weil er mit einer anderen Regelung des Gesetzesvorhabens nicht einverstanden war. Dabei geht es um eine Ergänzung der Vergütung des Verfahrensbeistands in Kindschaftssachen. Aufgabe des Verfahrensbeistands ist es, die Interessen des Kindes im gerichtlichen Verfahren zu vertreten und das Kind über den Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu informieren. Auf Anordnung des Gerichts kann der Verfahrensbeistand eine aktive Rolle übernehmen und zu einer einvernehmlichen Beilegung des Konflikts - etwa durch Gespräche mit den Eltern - beitragen. Nach der nun beschlossenen Änderung erhält der Verfahrensbeistand seine als Fallpauschale ausgestaltete Vergütung nochmals, wenn er nach Einlegung eines Rechtsmittels seine Aufgaben erneut wahrnimmt.

Mit der Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates kann die Neuregelung nunmehr zum 1. September 2009 in Kraft treten.

Außerdem kann nunmehr bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes auch die für Rechtsanwälte und Gerichte bedeutsame Änderung des anwaltlichen Vergütungsrechts in Kraft treten. Mit dem neuen § 15a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beseitigt der Gesetzgeber die Probleme, die in der Praxis aufgrund von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr aufgetreten sind. Zur Erläuterung: Die Geschäftsgebühr entsteht für die außergerichtliche Vertretung des Mandanten, die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Mandanten im Prozess. Hat der Rechtsanwalt den Mandanten in einem Streitfall bereits außergerichtlich vertreten, muss er sich einen Teil der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anrechnen lassen. Der Grund: Er hat sich durch die vorgerichtliche Tätigkeit bereits in den Fall eingearbeitet. Gewinnt der Mandant den Prozess, kann er von seinem Gegner stets volle Erstattung der Prozesskosten, aber nur unter besonderen Voraussetzungen Erstattung der außergerichtlichen Kosten verlangen. In mehreren vielbeachteten Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Verfahrensgebühr nur zu den Prozesskosten zählt, soweit sie nicht durch die Anrechnung einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr getilgt worden ist. Damit steht der Mandant schlechter, wenn er vorgerichtlich einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat, als wenn er ihn sogleich mit der Prozessvertretung beauftragt hätte. Das Vergütungsrecht behindert daher die vorgerichtliche Streiterledigung durch Rechtsanwälte. Durch das neue Gesetz wird die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als auch gegenüber Dritten, also insbesondere im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, nunmehr ausdrücklich geregelt. Insbesondere ist klargestellt, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirkt. In der Kostenfestsetzung muss also etwa eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie angerechnet wird. Sichergestellt wird jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen werden kann, den der Rechtsanwalt von seinem Mandanten verlangen kann.

Quelle: BMJ