Inkasso-Glossar: Zwangsvollstreckungsreform

Zwangsvollstreckungsreform

Ab 1.1.2013 treten die für Gläubiger entscheidenden Teile des Gesetzes zur Reform der
Zwangsvollstreckung in Kraft.

Es bringt folgende wesentlichen Neuerungen mit sich:

Bisher mussten Gläubiger sich selbst mühsam auf die Suche nach dem Verbleib des Schuldners machen, wenn der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge einen Zwangsvollstreckungsauftrag retournierte. Das soll sich ändern. Nunmehr kann in Zukunft auch die Ermittlung des neuen Aufenthaltsorts des Schuldners auf den Gerichtsvollzieher delegiert werden.

 

Der § 755 ZPO n.F. räumt dem Gerichtsvollzieher dazu eine Reihe von Kompetenzen ein.

Ist der Schuldner unbekannt verzogen, ist der Gerichtsvollzieher künftig- im Rahmen eines  Vollstreckungsauftrages befugt, bei der Meldebehörde eine neue Anschrift zu erfragen.

Lässt sich dort keine neue Anschrift ermitteln, kann der Gerichtsvollzieher sowohl beim  Ausländerzentralregister, bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen und auch beim Kraftfahrt-Bundesamt  eine aktuelle Anschrift des Schuldners erheben.

Hinweis: Geburtsdatum der Kunden wird bedeutsam!

Die Rentenversicherungsträger können regelmäßig nur dann erteilen, wenn das  Geburtsdatum des Schuldners mitgeteilt wird.

Wenn Sie es nicht schon jetzt tun, sollten Sie daher in Zukunft bereits bei Beginn der Kundenbeziehung das Geburtsdatum abgefragt werden. 

Zwei Einschränkungen bestehen jedoch:

  1. Diese Ermittlungen führt der Gerichtsvollzieher allerdings nicht von Amts wegen durch, sondern nur auf Antrag des Gläubigers durch.
     
  2. Eine Anfrage bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Kraftfahrt-Bundesamt oder einem Kreditinstitut darf der Gerichtsvollzieher nur dann stellen, wenn die zu vollstreckende Forderungen mindestens 500 Euro beträgt, § 755 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F.

Umsonst wird der Gerichtsvollzieher freilich nicht tätig. Nach dem Gerichtsvollzieherkostengesetz (GvKostG) darf der Gerichtsvollzieher für diese Tätigkeit 10 Euro in Rechnung stellen.

Die Zwangsvollstreckung soll effektiver werden. Für den Gläubiger ist es zwar ein selbstverständlicher Anspruch, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung eigentlich so effektiv wie möglich durchgeführt werden sollte. Die Realität sieht jedoch anders aus, das weiß jeder, der schon einmal einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt hat.

Mit der Reform des Zwangsvollstreckungsrechts hat sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt, dass sich das ändern soll. Ausdrücklich geregelt ist nunmehr, dass der GVZ auf eine zügige, vollständige und Kosten sparende Beitreibung hinzuwirken hat.

Die Änderungen des Gesetzgebers ändern freilich nichts daran, dass der Gerichtsvollzieher selbst darüber entscheidet, welcher Auftrag aufgrund seiner Dringlichkeit als nächster zu bearbeiten ist. Inwieweit angesichts der üblichen langwierigen Bearbeitungszeiten hier Haftungsansprüche durchgesetzt werden können, bleibt abzuwarten.

Die gütliche Erledigung ist das Ziel. Der Leitgedanke, der bisher bereits etwas verstreut in den Vorschriften der §§  806b , 813a und 900 Abs. 3 ZPO verankert war, wird nun mit dem § 802b ZPO n.F. künftig vorangestellt und gilt in jeder Verfahrenslagen der Zwangsvollstreckung: Angestrebt wird eine gütliche Regelung mit dem Schuldner.

 

Achtung: Grundsätzlich müssen Sie als Gläubiger einer solchen Stundungsbewilligung zustimmen. Dieses Einverständnis wird nach § 802 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. zukünftig unterstellt, wenn Sie im Antrag nicht ausdrücklich bereits im Vollstreckungsauftrag ausgeschlossen wurde.

Um eine gütliche Einigung herbeizuführen, stehen dem Gerichtsvollzieher gemäß § 802b ZPO n.F. zwei unterschiedliche Instrumente zur Verfügung: Zum einen kommt

  • die Einräumung einer Zahlungsfrist und zum anderen
  • die Gewährung einer Ratenzahlung
in Betracht.

Der Schuldner muss in jedem Fall glaubhaft darlegen, dass er genug Mittel aufbringen kann, um die Forderung damit innerhalb von  zwölf Monaten zu können. Bisher war eine Tilgungsfrist von sechs Monaten vorgesehen, welche sich aber in der Praxis als zu kurz herausgestellt hat. Der Gerichtsvollzieher ist dagegen nicht an die Frist von zwölf Monaten gebunden. Er kann ggf. auch eine längere Tilgungsfrist einräumen.

Eine Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner bewirkt, dass während dieses Zeitraums dem Schuldner ein Vollstreckungsaufschub gewährt wird. Ist bereits ein Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft festgesetzt worden, ist dieser aufzuschieben.

Diese „Schonfrist“ endet, wenn der Gläubiger unverzüglich dem Vollstreckungsaufschub widerspricht oder der Schuldner Schuldner mit seinen Zahlungsverpflichtungen mehr als zwei Wochen in Verzug gerät.

Achtung: Teilzahlungen bergen Risiken!
Nach dem Urteil des BGH vom 10.12.2009, IX ZR 128/08, sind Teilzahlungen des Schuldners, selbst wenn sie geleistet werden, um die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu vermeiden, im Rahmen einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung anfechtbar.

Als Gläubiger sollten Sie es sich daher gut überlegen, ob man sich auf eine Ratenzahlungsvereinbarung einlässt oder nicht lieber eine Kontenpfändung durchführt. Denn die unterliegt nicht der Insolvenzanfechtung (zumindest falls der Schuldner sich nicht bereits zu diesem Zeitpunkt in einer wirtschaftlichen Krise befindet.)

Die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, zukünftig Vermögensauskunft genannt, soll zukünftig nicht mehr von einem vorherigen ergebnislosen Vollstreckungsversuch abhängig sein.

Neu: in Zukunft kann man schon vor dem Pfändungsversuch zuerst eine Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher einholen lassen um anhand der Informationen anschließend darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sinnvoll ist.

Ohne entsprechenden Antrag geht es freilich nicht. Um eine Vermögensauskunft vom Schuldner zu verlangen, müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen und es muss sich um eine Zwangsvollstreckung aufgrund einer Geldforderung handeln.

Die Auskunftspflichten des Schuldners werden künftig in § 802c Abs. 2 ZPO n.F. näher geregelt.

Inhaltlich hat sich gegenüber dem derzeit noch geltenden § 807 ZPO nichts Wesentliches geändert. Es bleibt daher dabei, dass der Schuldner nicht nur über die ihm gehörenden Vermögensgegenstände Auskunft erteilen muss, sondern auch darüber, ob und in welchem Umfang er Gegenstände an ihm nahestehende Personen in den letzten zwei Jahren veräußert hat oder welche unentgeltlichen Leistungen er in den letzten vier Jahren erbracht hat. Ausdrücklich hat der Schuldner jetzt auch seinen Geburtsnamen, Geburtsort und sein Geburtsdatum anzugeben (§ 802c Satz 1 ZPO).

Der Schuldner ist vor der Erstellung des Vermögensverzeichnisses über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung zu belehren und auf die Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides Statt i.S.d. § 156 StGB hinzuweisen.

Wie bisher ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, dem Schuldner nach der Erteilung eines Zwangsvollstreckungsauftrags eine Frist von zwei Wochen zu setzen, um die Forderung doch noch begleichen zu können. Künftig kann der Gerichtsvollzieher jedoch schon mit der Zahlungsfrist einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmen, falls der Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen sollte. Der Gerichtsvollzieher kann den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft in seine Geschäftsräume bitten, in vielen Fällen wird es schon aus praktischen Erwägungen heraus jedoch sinnvoller sein, das Verzeichnis in dessen Wohnung zu erstellen. Dem kann der Schuldner allerdings wie bereits unter der derzeit noch geltenden Regelung widersprechen.

Neu ist, dass die Vermögensauskunft vom Schuldner künftig nicht mehr durch das Ausfüllen des Fragenkatalogs erstellt wird, sondern vom Gerichtsvollzieher anhand der vom Schuldner gemachten mündlichen Angaben errichtet wird. Das liegt daran, dass der Gerichtsvollzieher künftig das Vermögensverzeichnis in elektronischer Form an das zuständige Gericht übermitteln. Unterlagen, die als Anlage zum Verzeichnis dienen, muss der Gerichtsvollzieher einscannen. Auf Verlangen muss dem Schuldner ein Ausdruck des von ihm abgegebenen Vermögensverzeichnisses zur Verfügung gestellt werden.

Gläubiger können entweder einen Ausdruck des Vermögensverzeichnisses oder eine Übermittlung in elektronischer Form verlangen.

Für die Abnahme einer Vermögensauskunft erhält der Gerichtsvollzieher 25 Euro.

Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung konnte bislang erst nach Ablauf von 3 Jahren nach dem letzten Abgabezeitpunkt beantragt werden. Diese Frist wurde nunmehr auf 2 Jahre verkürzt. Die bisherige Zeitspanne wurde angesichts der sich immer schneller wandelnden Lebensumstände als zu lang befunden. 

 

Eine vorzeitige wiederholte Auskunft kann wie bisher verlangt werden, wenn eine Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners durch den Gläubiger glaubhaft gemacht werden. Liegt dieser Ausnahmefall nicht vor und verlangt der Gläubiger dennoch vorzeitig Auskunft, leitet der GVZ die letzte Vermögensauskunft in Abschrift an den Gläubiger weiter und informiert den Schuldner hierüber.

Weigert sich der Schuldner ohne Grund, die Vermögensauskunft zu erteilen, kann wie bisher ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werden  (§ 802g ZPO). Und ebenfalls wie bisher kann die Vollziehung der Haft ausgeschlossen sein, wenn die Gesundheit des Schuldners hierdurch gefährdet ist (§ 802h ZPO).

NEU: Der Gerichtsvollzieher kann künftig Auskünfte über den Schuldner einholen. Grundsätzlich geht die Verpflichtung des Schuldners, eine entsprechende Vermögensauskunft abzugeben, jedoch vor. Das Einholen von Auskünften durch den Gerichtsvollzieher ist deshalb an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.

Kommt der Schuldner seiner Auskunftspflicht nicht oder nicht hinreichend nach oder ist im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsversuchs nicht damit zu rechnen, dass durch eine Pfändung eine vollständige Befriedigung des Gläubigers eintreten wird, darf der Gerichtsvollzieher auf Antrag des Gläubigers Daten bei Trägern der Rentenversicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern, bei Kreditinstituten und beim Kraftfahrzeug-Bundesamt abrufen.

Die Datenabfrage und -erhebung ist an weitere Auflagen gebunden:

  • Die Daten müssen zur Vollstreckung unbedingt erforderlich sein, und es dürfen dabei nur zur Vollstreckung erforderliche Daten gespeichert werden.
  • Die zu vollstreckenden Ansprüche müssen mindestens 500 EUR betragen.
  • Der Gerichtsvollzieher muss den Gläubiger unverzüglich und den Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt über das Ergebnis der Erhebung in Kenntnis setzen (§ 802l ZPO n.F.).

Der Schuldner muss allerdings über eine erfolgte Abfrage aus einem der genannten Register in Kenntnis gesetzt werden. Unglücklich wäre es daher, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit dem Gläubiger auch den Schuldner informieren würde. Der Gesetzgeber hat es jedoch dem Gerichtsvollzieher überlassen, wann er den Schuldner innerhalb einer Frist von 4 Wochen konkret über die Abfrage informiert.

Neu: Das Vermögensverzeichnis wird zentral verwaltet.  Das Schuldnerverzeichnis wird zukünftig beim zentralen Vollstreckungsgericht des Bundeslandes geführt, so dass sich die bislang erforderlichen zahlreichen Anfragen bei verschiedenen Gerichten, in deren Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hatte, erübrigt.

Durch Rechtsverordnung ist inzwischen bestimmt worden, welches Gericht die Aufgaben des zentralen Vollstreckungsgerichts wahrnehmen wird. Die Adressen der Vollstreckungsgerichte der Länder finden Sie in unserem Gerichtsverzeichnis.

Anders als bisher steht das Vermögensverzeichnis künftig bei den zentralen Vollstreckungsgerichten nur mehr für  zwei Jahre  zum Abruf bereit. Sie verkürzt die bislang für die eidesstattliche Versicherung geltende Frist des § 903 ZPO von drei Jahren. Dies erscheint nach Auffassung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des Aktualitätsinteresses des Gläubigers, der schutzwürdigen Belange des Schuldners und der Belastung der Justiz angemessen. Nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist wird das Verzeichnis von Amts wegen gelöscht.

Vor Ablauf der Zweijahresfrist ist der Schuldner ausnahmsweise erneut auskunftspflichtig, wenn Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung seiner Vermögensverhältnisse vom Gläubiger glaubhaft gemacht werden (§ 294 ZPO). Die Glaubhaftmachung muss hierbei den Schluss auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtlage des Schuldners zulassen (LG Saarbrücken JurBüro 09, 102).

Gegenüber den in § 903 S. 1 ZPO in der bis zum 31.12.12 geltenden Fassung genannten zwei Ausnahmefällen (späterer Vermögenserwerb bzw. Auflösung eines bisherigen Arbeitsverhältnisses) wird somit durch die Formulierung „Veränderung der Vermögensverhältnisse“ der Ausnahmebereich der Vorschrift erheblich erweitert.

Für die Übermittlung eines mit eidesstattlicher Versicherung abgegebenen Vermögensverzeichnisses an einen Drittgläubiger entsteht  eine Gebühr in Höhe von 25 EUR.

Weitere Änderungen
Dies ist lediglich ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die durch die Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zum 01. Januar 2013 in Kraft treten werden. Daneben hat die Gesetzesreform zahlreiche weitere Änderungen in diversen Gesetzen notwendig gemacht, die wir in diesem Beitrag nicht alle darstellen können.