BDIU Herbstumfrage: Rekord bei Verbraucherinsolvenzen

Die Zahlungsmoral in Deutschland hat sich verbessert, aber gleichzeitig steigen die Insolvenzen. Bis zu 34.000 Unternehmen werden voraussichtlich in diesem Jahr zahlungsunfähig (2009: 32.687), und die Verbraucherinsolvenzen klettern sogar auf einen neuen Rekord mit rund 110.000 Verfahren (2009: 101.102). Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind  laut BDIU für viele der Tropfen, der das Schuldenfass erst jetzt zum Überlaufen bringt zumal Wirtschaft und Verbraucher den Konjunktureinbruch noch nicht ausgleichen konnten.
 
Rechnungen werden in Deutschland wieder besser bezahlt. In der aktuellen Herbstumfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, melden jetzt 80 Prozent der 560 befragten Inkassounternehmen eine bessere oder gleich gebliebene Zahlungsmoral, verglichen mit dem Frühjahr 2010. Grund sind die gute Konjunktur und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. So melden jetzt nur noch 74 Prozent der BDIU-Mitglieder, dass Arbeitslosigkeit der Grund sei, warum private Schuldner Rechnungen nicht bezahlen. Vor einem halben Jahr hatten noch 82 Prozent der Befragten diese Beobachtung gemacht. Lediglich 34 Prozent der Umfrageteilnehmer berichten jetzt, dass ein aktueller Liquiditätsengpass der Grund für ausbleibende Zahlungen privater Kunden sei (Frühjahr: 52 Prozent). "Die Verbraucher haben wieder mehr Geld im Portmonee", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz, "und der private Konsum ist ein Stützpfeiler des Aufschwungs."
 
Dennoch werden die Insolvenzen in diesem Jahr steigen. Der BDIU rechnet mit rund 34.000 Unternehmenszusammenbrüchen, 4 Prozent mehr als 2009 (32.687). Und auch die Verbraucherinsolvenzen klettern: Sie erreichen mit voraussichtlich 110.000 Verfahren einen neuen Rekordwert (2009: 101.102, plus 9 Prozent). Grund dafür ist weiterhin die Finanzkrise. "Die Wirtschaft hat den gewaltigen Konjunktureinbruch des letzten Jahres noch längst nicht ausgleichen können", so Wolfgang Spitz. "Die jetzige Erholung ist erfreulich. Aber sie ist kein Grund zur Entwarnung. Ob wir wirklich aus dem Tal heraus sind, wird sich erst im nächsten Jahr zeigen."
 
Aktuell haben das Handwerk und die Dienstleistungsbranche die meisten Probleme mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden. Jeweils gut zwei Drittel der Inkassounternehmen haben eine entsprechende Angabe in der Herbstumfrage gemacht. Entspannt dagegen hat sich das Zahlungsverhalten im Baugewerbe. Hier stellen nur noch 51 Prozent der Inkassounternehmen Zahlungsschwierigkeiten auf Kundenseite fest – noch im Frühjahr hatten das 65 Prozent gemeldet. Ebenfalls besser ist das Zahlungsverhalten im verarbeitenden Gewerbe (15 statt 24 Prozent) sowie im Großhandel (jetzt neun nach 18 Prozent im Frühjahr).
 
Privatverschuldung klettert weiter
 
Dagegen hat sich die Schuldenkrise der privaten Haushalte in diesem Jahr sogar verschärft. Mehr als drei Millionen von ihnen gelten als überschuldet, das heißt, sie haben so viele Verbindlichkeiten angehäuft, dass sie sie aus eigener Kraft nicht mehr begleichen können. 93 Prozent der Inkassounternehmen berichten, dass Überschuldung der Hauptgrund sei, warum private Schuldner aktuell Rechnungen nicht bezahlen. "Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Einkommensausfälle waren für viele der Tropfen, der das Schuldenfass erst jetzt zum Überlaufen brachte", erklärt Marion Kremer, Vizepräsidentin des BDIU. Weitere Ursachen seien Scheidungen und unvorhergesehene Erkrankungen. "Die Erfahrung unserer Mitgliedsunternehmen zeigt aber auch: In den seltensten Fällen hat eine Überschuldung nur externe Gründe", so Kremer. "Meist haben die Betroffenen schon länger den Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse verloren." Das betreffe  laut BDIU in zunehmendem Maße auch junge Menschen. Diese verschulden sich nach Angaben der Inkassounternehmen wegen zu hoher Konsumausgaben (85 Prozent bestätigen das in der Umfrage), weil bereits ihr Elternhaus ein schlechtes Vorbild vorlebe (80 Prozent)  und weil sie kein Bewusstsein dafür hätten, selbst die Verantwortung für ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu übernehmen (66 Prozent). "Wir brauchen mehr Finanzaufklärung", fordert Kremer daher.
 
Die Folgen dieser Verschuldungskrise seien für die Wirtschaft gravierend. Bei den 110.000 Verbraucherinsolvenzen in diesem Jahr handele es sich, so Kremer, fast ausschließlich um sogenannte Nullpläne. Das heißt: Die Gläubiger sehen von ihren berechtigten Forderungen keinen Cent wieder. Und auch der Staat, der für die Verfahrenskosten in Vorleistung tritt, muss seine Forderungen komplett ausbuchen. "Besser als ein teures und bürokratisches Gerichtsverfahren ist die vorinstanzliche Einigung mit den Gläubigern", so Kremer. "Wir begrüßen daher die Bestrebungen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bei der bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Reform der Verbraucherinsolvenz die außergerichtliche Einigung zu stärken." Außerdem will das Bundesjustizministerium eine Halbierung der Wohlverhaltensperiode von derzeit sechs auf künftig drei Jahre. Das soll Unternehmensgründern und ehemals Selbstständigen einen schnelleren Neustart ins Wirtschaftsleben ermöglichen. Würde die Reform kommen, beträfe sie aber alle Verbraucherinsolvenzen. "Das macht keinen Sinn", kritisiert Kremer. "Wir wissen, dass viele Schuldner Respekt vor der langen Wohlverhaltensperiode haben. Eine Halbierung dieser Zeit würde nur dazu führen, dass einige jetzt erst recht Schulden anhäufen – denn sie gehen ja davon aus, dass sie sich in gerade einmal drei Jahren ihrer Verpflichtungen entledigen könnten. Das ermöglicht weder redlichen Schuldnern einen wirtschaftlichen Neuanfang, denn den könnten sie auch schaffen, wenn sie sich mit ihren Gläubigern gütlich einigen – und schon gar nicht werden die berechtigten Ansprüche der Gläubiger dabei gewürdigt. Wir fordern: Das Problem muss an den Wurzeln bekämpft werden, konkret: Wir brauchen mehr Maßnahmen, um Überschuldung zu bekämpfen. Das ist im Interesse aller."
 
BDIU: Schuldenprävention gehört in die Schulen
 
Dafür sollte nach Auffassung der Inkassounternehmen das Thema Schuldenvermeidung noch besser in die Lehrpläne der Schulen integriert werden. "Erste, gute Ansätze gibt es bereits", lobt Kremer und hebt etwa das Projekt "Geldkunde" an Berliner Schulen hervor. Hier lernen Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 in einer Arbeitsgemeinschaft an praktischen Beispielen den Umgang mit Geld. "Solche Angebote müssen aber verpflichtend sein, damit sie auch eine nachhaltige Wirkung entfalten können", fordert Kremer.  "Wir als Vertreter der Gläubiger unterstützen jede Maßnahme, die dazu beiträgt, unsere Kinder und damit die nächste Generation der Verbraucher vor einem Weg in die Überschuldung zu bewahren." Dies sei dringend notwendig, denn mit dem anziehenden Konsum steige auch die Neigung der Verbraucher, sich zu verschulden.
 
Quelle: BDIU