Die Zahlungsmoral in Deutschland bleibt schlecht

Der Zahlungsfluss in der deutschen Wirtschaft ist durch die Folgen der Rezession weiterhin stark beeinträchtigt. In ihrer aktuellen Frühjahrsumfrage melden 95 Prozent der befragten Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, dass Rechnungen jetzt genauso schlecht oder sogar noch schlechter als im letzten Herbst beglichen werden. Besonders die klammen Kommunen zögern fällige Zahlungen hinaus. Große Probleme mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden haben außerdem der Bau, das Handwerk und die Dienstleistungsbranche.

Die Zahlungsmoral in Deutschland bleibt schlecht. In ihrer traditionellen Frühjahrsumfrage melden jetzt 48 Prozent der befragten Unternehmen im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), dass die Rechnungstreue privater und gewerblicher Kunden weiter zurückgegangen ist im Vergleich zum bereits schlechten Niveau des Herbstes 2009. 47 Prozent berichten, dass die Zahlungsmoral jetzt genauso schlecht ist wie vor sechs Monaten.

"Die Krise und ihre Folgen bedrohen weiter massiv die Stabilität der Unternehmen in Deutschland", fasst BDIU-Präsident Wolfgang Spitz am Donnerstag in Berlin die Ergebnisse der Branchenumfrage zusammen. Demnach geraten aktuell immer mehr Firmen in akute Zahlungsschwierigkeiten, vor allem im Mittelstand – dem Herz der deutschen Volkswirtschaft. Dies sorge für ein weiteres Ansteigen der Insolvenzen. In diesem Jahr erwartet der BDIU bis zu 36.000 Firmenzusammenbrüche (2009: 32.687). "Der Grund für diesen Anstieg um gut zehn Prozent ist der massive Konjunktureinbruch des Jahres 2009, der sich jetzt auch mit Verzögerung in den Insolvenzzahlen widerspiegelt", stellt Spitz fest. "Denn trotz eines leichten Wirtschaftswachstums und der inzwischen deutlich spürbaren Erholung bei den Exporten fahren viele Unternehmen mit einer gefährlichen Schlagseite. Nach wie vor klemmt vielerorts der Zahlungs- und auch der Kreditfluss, und viele Insolvenzen zwingen in der Folge Lieferanten und deren Auftraggeber in die Knie, weil fest eingeplante Aufträge nicht mehr kommen und bereits ausgeführte Aufträge nicht mehr bezahlt werden können."

Öffentliche Auftraggeber zahlen schlecht

Immer häufiger beklagen Auftragnehmer jetzt auch Zahlungsverzögerungen durch die öffentliche Hand. In der Frühjahrsumfrage melden 22 Prozent der Teilnehmer, dass öffentliche Auftraggeber ihre Rechnungen schlechter bezahlen als noch im Herbst 2009 – 77 Prozent berichten, dass das zögerliche Zahlungsverhalten insbesondere von Städten und Gemeinden auf dem ohnehin schlechten Niveau von vor sechs Monaten verharre.

"Die Finanzsituation der Kommunen ist dramatisch schlecht", bemängelt BDIU-Präsident Spitz. "Und eine Besserung ist nicht in Sicht." Erst vor kurzem hatte der Deutsche Städte- und Gemeindebund davor gewarnt, dass etwa zwei Drittel der Kommunen im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen de facto zahlungsunfähig seien, da sie ihre Ausgaben nicht mehr durch eigene Einnahmen decken könnten. Petra Roth, Präsidentin des Deutschen Städtetages, rechnet bis 2012 sogar bundesweit mit zweistelligen Milliardendefiziten der kommunalen Haushalte. Auf viele Bürger kommen dramatische Einschnitte zu: Öffentliche Theater, Museen und Schwimmbäder müssen wegen der Finanzkrise die Pforten schließen, Schulen und Straßen müssen noch länger auf dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen warten.
"Die Löcher in den kommunalen Kassen sind inzwischen für jeden Autofahrer spür- und erlebbar", so Wolfgang Spitz. "Und auch viele Gläubiger machen jetzt die schmerzliche Erfahrung, dass eine Auftragsvergabe an eine Kommune eben doch keine fest kalkulierbare Einnahme ist."

BDIU: Kommunen müssen vorbildliche Zahler sein

Der teilweise dramatische Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen und die gleichzeitig deutlichen Kostensteigerungen im Sozialbereich dürfen keine Entschuldigung dafür sein, die eigenen Zahlungsverpflichtungen laxer zu handhaben. "Kein Privathaushalt könnte sich das leisten", so Spitz. "Jeder muss seine Zahlungsverpflichtungen ernst nehmen. Gerade die öffentlichen Auftraggeber haben hier eine Vorbildfunktion inne, auch weil sie für die Finanzierung vieler Betriebe und Firmen vor Ort ein unverzichtbarer Partner sind und dadurch zahlreiche Arbeitsplätze sichern. Zahlungskräftige Kommunen sind eine tragende Säule der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland. Daher darf die Liquidität der Städte und Gemeinden nicht weiter austrocknen."

12 Milliarden Euro offene kommunale Forderungen

Ein aktives und professionelles Forderungsmanagement gehöre dringend auf die Tagesordnung, fordert der Verbandspräsident. Denn in vielen Haushalten gebe es bislang noch ungenutzte Einnahmepotenziale. "Hier müssen die Kämmerer jetzt schnell handeln", so Wolfgang Spitz. Nach Schätzungen des BDIU summieren sich die Außenstände der Kommunen derzeit auf mindestens zwölf Milliarden Euro. Dabei handele es sich zum Beispiel um Unterhaltsvorschussleistungen. Hier könnten private Inkassounternehmen helfen, Mahnverfahren zu verkürzen und Einnahmen zu verbessern.

"Rechtlich ist das möglich, und Kommunen haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht", so Spitz. Inkassounternehmen seien in der Lage, die Verwaltungen etwa beim Ermitteln von Adressen, dem Versand von Zahlungsaufforderungen oder bei Bonitätsüberprüfungen effizient zu unterstützen. Der interne Verwaltungsaufwand sinke dadurch, und die Verwaltungsmitarbeiter könnten sich auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren.

In der Frühjahrsumfrage erwarten 82 Prozent der BDIU-Unternehmen, dass sich durch diese Maßnahmen die Erfolgs- und Realisierungsquoten steigern lassen. 76 Prozent sind überzeugt, dass Forderungen so schneller realisiert werden können.

Bau, Dienstleister und Handwerk warten auf Zahlungen

In der Frühjahrsumfrage meldeten die Inkassounternehmen, welche Branchen zurzeit besondere Probleme mit der Rechnungstreue ihrer Kunden haben (Mehrfachantworten waren möglich). 65 Prozent nannten das
Baugewerbe und jeweils 64 Prozent die Dienstleistungsbranche sowie das Handwerk insgesamt.

Nach den Gründen für ausbleibende Zahlungen durch gewerbliche Schuldner gefragt, nannten 77 Prozent der Inkassounternehmen hohe Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden und 69 Prozent einen momentanen Liquiditätsengpass – meist verursacht durch die Wirtschaftskrise. 68 Prozent der Umfrageteilnehmer melden zudem, dass eine schlechte Auftragslage Unternehmen aktuell daran hindert, ihren Zahlungsverpflichtungen vereinbarungsgemäß nachzukommen.

"Dies sind immer noch spürbare Nachwirkungen der Rezession", so Inkassopräsident Spitz. Vor deren Beginn – im Frühjahr 2008 – hatten lediglich 39 Prozent der Inkassounternehmen eine schlechte Auftragslage als Ursache für Zahlungsverzögerungen durch Unternehmen beobachtet. "Das Schlimmste scheint zwar überstanden", so Spitz. "Aber die Firmen müssen weiterhin dringend ihr wirtschaftliches Fundament stärken, um nicht bei möglichen weiteren wirtschaftlichen Beben zusammenzubrechen. Ein besseres Kostenmanagement, eine solide Ausstattung mit Eigenkapital und vor allem ein effizientes betriebliches Mahnwesen sind die Gebote der Stunde."

Inkassounternehmen keine Krisengewinner

Auf das Geschäft der Inkassounternehmen hatte das Rezessionsjahr 2009 ebenfalls spürbare Auswirkungen. So hat die Zahl der Aufträge an Inkassounternehmen zwar zugenommen – das berichten 48 Prozent der BDIU-Unternehmen in der Frühjahrsumfrage. Auch die Zahl der Neukunden ist bei 50 Prozent der Umfrageteilnehmer gestiegen. "Dennoch wäre es falsch, unsere Branche zu den Krisengewinnern zu zählen", stellt BDIU-Präsident Spitz klar. So hat sich zum Beispiel die Realisierungsquote pro Forderung im Rezessionsjahr 2009 kaum verändert.

61 Prozent der Inkassounternehmen melden in der Umfrage, dass sie im Vergleich zu 2008 ungefähr gleich geblieben ist. Gleichzeitig hat sich jedoch der Bearbeitungsaufwand zum Teil deutlich erhöht. Das erklären 70 Prozent der BDIU-Mitglieder in der Frühjahrsumfrage.

Quelle: BDIU