Handwerk leidet unter schlechter Zahlungsmoral und Kreditproblemen

Der Konjunktureinbruch drückt massiv die Zahlungsmoral. Besonders betroffen ist das Handwerk. Laut der traditionellen Herbstumfrage unter den 540 Mitgliedern des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, ist das Zahlungsverhalten der Kunden des Handwerks so schlecht wie in keiner anderen Branche – 65 Prozent der Befragten bestätigen das. Einer der wichtigsten Auftraggeber der Handwerksbetriebe sind Städte und Gemeinden. Deren Zahlungsverhalten hat sich ebenfalls massiv verschlechtert – obwohl sie selbst mehr als 12 Milliarden Euro Außenstände haben.
 
Zahlungsausfälle und Kreditprobleme stellen das Handwerk aktuell vor zunehmende Probleme. Dabei präsentiert sich die Branche, verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen, erstaunlich robust. Trotz Rezession werden die Umsätze der 966.000 vom Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH) vertretenen Betriebe 2009 voraussichtlich nur um etwa 2 Prozent zurückgehen. Gleichzeitig wird sich die Beschäftigung um 25.000 bis 40.000 Stellen verringern. "Die überraschend stabile Binnennachfrage und die stützenden Maßnahmen aus den Konjunkturpaketen haben dazu beigetragen, dass das Handwerk von dem schlimmen Konjunktureinbruch vergleichsweise verschont geblieben ist", so Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ZDH in Berlin. "Umso gravierender sind jetzt die Probleme, die sich den Betrieben nun auf der Liquiditätsseite stellen. Denn die Zahlungsmoral der Kunden ist so schlecht wie lange nicht mehr."
 
Kunden im Handwerk zahlen am schlechtesten
Dies unterstreicht die aktuelle Herbstumfrage unter den Mitgliedsunternehmen des BDIU. Fast alle der befragten Inkassounternehmen berichten darin, dass Rechnungen aktuell genauso schlecht oder sogar noch schlechter als vor einem halben Jahr beglichen werden – nur vier Prozent der Umfragteilnehmer haben eine Verbesserung beobachtet. Die am stärksten von dieser Entwicklung betroffene Branche ist demnach das Handwerk. 65 Prozent der BDIU-Mitglieder melden, dass dessen Kunden zurzeit besonders nachlässig beim Bezahlen ihrer Forderungen sind.
 
"Die Insolvenzgefahr im Handwerk wächst beträchtlich", warnt Spitz und fügt hinzu: "Jetzt ist effizientes Forderungsmanagement gefragt." Die Herbstumfrage zeigt den Handlungsbedarf. Laut 61 Prozent der teilnehmenden BDIU-Mitglieder sind Forderungsausfälle privater Auftraggeber aktuell der wichtigste Grund, warum Handwerker zahlungsunfähig werden. 55 Prozent nennen verspätet beglichene Forderungen der Kunden als Ursache.
 
Mahnwesen oft nur "mangelhaft"
Erschwerend kommt hinzu, dass das Mahnwesen vieler Handwerksbetriebe laut der BDIU-Umfrage nur ausreichend bis mangelhaft ausgestattet ist. Insbesondere kleine Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern verfügten nicht über die erforderlichen Kapazitäten, ihre Forderungen konsequent durchzusetzen. In der Umfrage bewerten 62 Prozent der Inkassounternehmen das Mahnwesen kleiner Handwerksbetriebe (ein bis zehn Mitarbeiter) mit der Note "ungenügend". Bei mittleren Handwerksbetrieben (elf bis 100 Mitarbeiter) ist es nach Einschätzung von 38 Prozent der Antwortenden "befriedigend", 37 Prozent bewerten es als lediglich "ausreichend". Nur größere Betriebe mit über 100 Mitarbeitern verfügen demnach über ein "gutes" beziehungsweise "befriedigendes" Forderungsmanagement.
 
"Ein professionelles Mahn- und Rechnungswesen ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg jeden Betriebes", so Spitz. "Das heißt: Rechnungen müssen sofort nach dem Abschluss des Auftrages gestellt werden. Wenn möglich sollte man auch Teil- oder Vorauszahlungen vereinbaren. Wird eine Forderung überfällig, ist sofortiges Mahnen geboten." Nach Erfahrung der Inkassounternehmen würden viele kleinere, insbesondere familiär geführte Betriebe häufig davor zurückschrecken, ihre Kunden zu mahnen – aus Angst, damit eine positive, oft auch durch guten persönlichen Kontakt geprägte Geschäftsbeziehung zu gefährden. "Eine solche zögerliche Haltung ist falsch", betont Spitz. Das Gegenteil sei richtig. "Ein rechtzeitiges Mahnen zeigt, dass der Handwerker es mit seiner Forderung ernst meint."
 
Kreditprobleme gefährden viele Betriebe
Ohnehin gebe die Liquiditätssituation vieler Betriebe aktuell Anlass zu Sorge. Vielfach verfügen Handwerker über zu wenig Eigenkapital, um etwa verspätete Zahlungseingänge ihrer Auftraggeber zu überbrücken. Laut 57 Prozent der Inkassounternehmen ist eine dünne Eigenkapitaldecke ein Grund für Handwerkerinsolvenzen. 54 Prozent führen an, dass Banken derzeit keine oder nur zögerlich Kredite geben, und die Betriebe deswegen den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssten. "Ausreichend Eigenkapital ist wichtig, um Kreditzusagen durch die Finanzwirtschaft zu erhalten", sagt Spitz, "daher sind die Betriebe dazu angehalten, ihre Ausstattung mit Eigenmitteln nach Möglichkeit zu verbessern. Wahr ist allerdings auch, dass viele Banken die Hürden für eine Kreditvergabe inzwischen so hoch gelegt haben, dass kaum noch ein Betrieb realistisch dazu in der Lage ist, sie zu überwinden – dabei können viele Handwerker volle Auftragsbücher vorweisen."
 
Der Handwerksverband bestätigt diese Entwicklung. "Eine flächendeckende Kreditklemme können wir im Handwerk zwar bislang nicht feststellen", schränkt ZDH-Präsident Otto Kentzler ein. "Aber die deutlich gestiegenen Anforderungen an Kreditsicherheiten bereiten unseren Betrieben Schwierigkeiten. Das betrifft aktuell vor allem die Betriebsmittelfinanzierung. Die zusätzlichen Handlungsspielräume der Bürgschaftsbanken sind angesichts der häufig knappen Eigenkapitaldecke sehr wichtig. An die neuen Globaldarlehen der KfW knüpfen wir große Erwartungen. Bei weiter steigenden Liquiditätsproblemen werden zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen unverzichtbar sein.
 
Mängelrügen verzögern Zahlungseingänge
Der Hauptgrund, warum private Kunden Handwerkerrechnungen nicht bezahlen, ist Überschuldung. 62 Prozent der Inkassounternehmen melden das in ihrer Umfrage. 58 Prozent nennen unberechtigte Reklamationen, 52 Prozent führen Arbeitslosigkeit als Grund für ausbleibende Zahlungen an. Vor allem unberechtigte Mängelrügen stellen Betriebe vor Probleme. Betroffen sind Handwerker aus den Gewerken Bau und Ausbau, die wegen strittiger Auftragsausführungen auf das ihnen zustehende Geld warten müssen. Oft landen Streitigkeiten vor Gericht – ohne dass der Betrieb einen Cent seiner berechtigten Forderung sieht. Der BDIU kritisiert das. "Die Handwerker gehen mit Materialien und ihrer Arbeitsleistung in Vorschuss gegenüber dem Auftraggeber", so Inkassopräsident Spitz. "Die Kunden befinden sich hier im Vorteil und können die Betriebe an einer empfindlichen Stelle treffen."
 
Hier hilft das Anfang des Jahres in Kraft getretene Forderungssicherungsgesetz. Es ermöglicht Handwerkern unter anderem schnellere Abschlagszahlungen einzufordern, schon bevor ein Werk vollständig errichtet ist. "Dieses Gesetz ist sicher nicht der von manchen erwarteten ‚große Wurf‘. Die neuen Regelungen werden ihre Wirkung jedoch nicht verfehlen, wenn sie sinnvoll eingesetzt werden", so ZDH-Präsident Otto Kentzler. Das gelte vor allem für die Sicherung des Baugeldes, die Verbesserungen bei den Abschlagszahlungen, den neu ausgestalteten Anspruch auf Sicherheitsleistungen oder die Abnahmefiktion, bei der die Abnahmeerklärung gegenüber dem Bauträger oder Generalübernehmer auch zugunsten aller Subunternehmer gilt. Kentzler: "Hier sind die Handwerksorganisationen gefordert. Wir müssen unsere Betriebe immer wieder über die rechtlichen Möglichkeiten informieren und sie zur Nutzung des zur Verfügung stehenden Instrumentariums ermuntern."
 
Öffentliche Hand zahlt schlechter
Ein traditionell wichtiger Auftraggeber der Betriebe vor Ort ist die öffentliche Hand, insbesondere die Kommunen. Sie bezahlen zwar in der Regel ihre Forderungen, lassen sich dafür aber immer länger Zeit. 21 Prozent der Inkassounternehmen berichten, dass öffentliche Auftraggeber jetzt nachlässiger in ihrer Rechnungstreue sind. Das ist eine weitere Eintrübung gegenüber diesem Frühjahr, als nur 12 Prozent der BDIU-Mitglieder von einem schlechteren Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand berichteten. "Die Wirtschaftskrise ist auch eine Krise der öffentlichen Haushalte", analysiert BDIU-Präsident Spitz. So fallen etwa Einnahmen aus der Gewerbesteuer vielerorts deutlich niedriger aus als noch im vergangenen Jahr. Erst vor kurzem hatte der deutsche Städtetag gewarnt, dass die Krise im kommenden Jahr bei den Kommunen ein Defizit in Höhe von 10 Milliarden Euro verursachen könnte.
 
Hohe Außenstände bei den Kommunen
"Dabei schlummern in vielen Haushalten noch ungehobene Einnahmepotenziale", fügt Inkassopräsident Spitz hinzu. Allein die Außenstände der Städte und Gemeinden summieren sich nach Schätzungen des BDIU auf derzeit mindestens 12 Milliarden Euro. Spitz empfiehlt den Kommunen daher, ihr Forderungsmanagement zu professionalisieren und dabei auch auf die Unterstützung durch private Inkassounternehmen zuzugreifen. "Die aktuelle Rechtslage erlaubt das und gibt den Verwaltungen große Handlungsspielräume", so Spitz. "Es sind deutliche Mehreinnahmen möglich. Das entlastet die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und schafft neue Spielräume für dringend notwendige Investitionen."
 
Inkassounternehmen könnten insbesondere beim Realisieren niedergeschlagener Forderungen konkrete Hilfe bieten. "Hier hat sich in den Verwaltungen der Begriff ‚Kellerakten‘ eingebürgert", sagt Spitz. "Das heißt: Forderungen werden nach einigen fruchtlosen Mahnungen gewissermaßen in den Keller gepackt, wo sie dann auch oft bleiben. Inkassounternehmen könnten Teile dieser offenen Forderungen in die kommunalen Kassen zurückholen. Das ist gerade bei der derzeitigen Lage der Haushalte ein Gebot der Stunde", so Spitz.
 
Deutliche Mehreinnahmen möglich
In ihrer Umfrage erwarten 77 Prozent der Inkassounternehmen, dass Kommunen durch externes Forderungsmanagement deutlich höhere Erfolgs- und Realisierungsquoten erzielen. 74 Prozent sagen, dass Forderungen schneller realisiert werden könnten, was wiederum die Liquidität der kommunalen Kassen deutlich verbessern würde. 69 Prozent machen zudem die Aussage, dass externes Forderungsmanagement die Personalkosten der Städte und Gemeinden reduziere.
 
"Die Kommunen müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ihre finanzielle Ausstattung zu sichern oder gar zu verbessern. Außerdem sollten sie die Mittel aus den Konjunkturpaketen so verwenden, dass die Rechnungen der in diesem Zusammenhang beauftragten Handwerker und Unternehmen unverzüglich bezahlt werden. Das hilft den Betrieben, sichert Arbeitsplätze und ist im Interesse des Gemeinwohls", so Wolfgang Spitz.
 
Quelle: BDIU