Solides Haushalten ist das Gebot der Stunde

Die Rezession drückt weiterhin die Zahlungsmoral. In der Frühjahrsumfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, melden jetzt 48 Prozent der befragten Brachenunternehmen, dass Kunden Rechnungen schlechter bezahlen - 47 Prozent sagen, die Zahlungsmoral sei jetzt genauso schlecht wie vor sechs Monaten. "Die Krise ist für den Mittelstand noch nicht vorbei", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz, "trotz des leichten Wirtschaftswachstums in diesem Jahr."
 
Weniger Arbeitslose als befürchtet

In der Umfrage sollten die Inkassounternehmen beantworten, ob es Unterschiede beim Zahlungsverhalten gewerblicher und privater Schuldner gibt. Das Ergebnis: Das Zahlungsverhalten privater Schuldner hat sich nicht in dem Maße verschlechtert wie das von Unternehmen. Acht Prozent der BDIU-Mitglieder haben jetzt sogar eine bessere Rechnungstreue bei Verbrauchern beobachtet. "Für die Verbraucher hat sich die Krise nicht ganz so schlimm ausgewirkt wie ursprünglich befürchtet", analysiert BDIU-Vorstandssprecherin Marion Kremer. "Insbesondere die Arbeitslosigkeit ist nur sehr moderat gestiegen – und das bei einem Rückgang der Gesamtwirtschaftsleistung um fünf Prozent im vergangenen Jahr. Das ist auch ein Erfolg der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung."

Hauptgründe, warum private Schuldner Rechnungen aktuell nicht wie vereinbart bezahlen, sind Überschuldung (90 Prozent der befragten Inkassounternehmen bestätigen das in der Umfrage) sowie Arbeitslosigkeit (82 Prozent). 52 Prozent nennen einen momentanen Liquiditätsengpass als Ursache.

Überschuldungsrisiken durch Krise gestiegen

"Überschuldung bleibt das Hauptproblem", so Marion Kremer. "Und dies ist durch die Krise eher noch verstärkt worden." Überschuldete Personen haben dauerhaft mehr Ausgaben – etwa für Miete, Lebensmittel und das Bedienen von Zahlungsverpflichtungen aus Krediten und Ratenkäufen –, als sie über regelmäßige Einnahmen verfügen. Die Gründe, warum Menschen in eine Überschuldungssituation geraten, sind vielfältig. "Oft stellen wir fest, dass es sich um unvorhergesehene Lebensereignisse handelt wie etwa Ehescheidungen oder eine Erkrankung", berichtet Kremer. "Aber auch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sind aktuell große Überschuldungsrisiken." In diesen Situationen brächen Einnahmen für den Privathaushalt weg, "aber zum Beispiel gestiegene Kosten für Wohnung oder den Unterhalt des Autos und laufende Ratenkredite müssen trotzdem weiterbezahlt werden", so Kremer.

Verbraucherinsolvenzen steigen moderat

Für dauerhaft Überschuldete kann die Verbraucherinsolvenz einen Ausweg bieten, um einen wirtschaftlichen Neuanfang zu wagen. In diesem Jahr werden voraussichtlich rund 105.000 Überschuldete diesen Schritt machen (2009: 101.102).

Die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angestrebte Verkürzung der Wohlverhaltensphase von aktuell sechs auf drei Jahre begleitet der Inkassoverband kritisch. Damit soll insbesondere ehemals Selbstständigen ein schnellerer wirtschaftlicher Wiedereinstieg ermöglicht werden. Bislang gelten für ehemals Selbstständige und überschuldete Verbraucher dieselben Regeln im Insolvenzverfahren. "Sicherlich darf es im Zuge der Wirtschaftskrise keine Denkverbote geben", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. "Aber der Gesetzgeber darf auch keine falschen Signale geben. Unsere Erfahrung zeigt, dass die sechs Jahre dauernde Wohlverhaltensphase für viele eine abschreckende Wirkung hat. Eine Halbierung dieser Zeit wäre für einige Schuldner das psychologische Signal, erst noch einmal richtig Schulden zu machen, wenn ohnehin die Aussicht besteht, dass sie nach drei Jahren von ihren angehäuften Zahlungsverpflichtungen befreit werden. In diesem auch für die Gläubiger sensiblen Bereich sollte der Gesetzgeber keine Schnellschüsse machen."
 
BDIU: Wohlverhaltensphase nicht verkürzen
 
Die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angestrebte Halbierung der Zeit bis zur Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren begleitet der Verband kritisch. Dies soll ehemals Selbstständigen den wirtschaftlichen Wiedereinstieg bereits nach drei Jahren ermöglichen. Der BDIU weist darauf hin, dass für ehemals Selbstständige und überschuldete Verbraucher dasselbe Insolvenzrecht gelte. "Nur drei Jahre bis zur Restschuldbefreiung wären für viele Schuldner das psychologische Signal, vorher noch einmal richtig Schulden zu machen", mahnt BDIU-Präsident Spitz. "Kommt ein Schuldner wieder zu Geld, kann er auch nach geltender Rechtslage das Insolvenzverfahren beenden und seine Verpflichtungen bedienen." Unbürokratischer und für die Allgemeinheit günstiger sei die außergerichtliche Einigung. Sie solle vom Gesetzgeber stärker gefördert werden.

Vorgerichtliche Einigung als besserer Weg

Die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang habe  zudem nichts mit der Dauer der Wohlverhaltensphase zu tun. "Kommt ein Schuldner wieder zu Geld und kann er seine Verpflichtungen bedienen, dann kann er auch schon vor den sechs Jahren die Wohlverhaltensphase beenden und sich eine neue wirtschaftliche Existenz aufbauen", so Spitz. Eine sinnvolle Güterabwägung sei hier entscheidend. In diesem Zusammenhang appelliert Spitz an den Gesetzgeber, sich an die ursprünglich mit der Verbraucherinsolvenz verfolgten Ziele zu erinnern. "Bei Einführung dieses Verfahrens vor mittlerweile elf Jahren war das oberste Ziel die Befriedigung der Gläubigerinteressen", mahnt der Verbandspräsident. "Daran sollte nicht gerüttelt werden – gerade nicht in Zeiten einer Wirtschaftskrise, in der die Liquidität der betroffenen Gläubigerunternehmen mit allen Maßnahmen gestärkt werden muss. Die vorgerichtliche Einigung zwischen Gläubigern und Schuldnern sollte weiterhin das Ziel sein. Sie ist unbürokratisch, und das Vermeiden von gerichtlichen Maßnahmen ist auch für die Allgemeinheit die weitaus günstigste Lösung."

Unwissen häufiger Grund für Jugendverschuldung

Prävention bleibe bei Überschuldung die Hauptaufgabe. Vielfach sei schlicht Unwissen über die Konsequenzen des eigenen wirtschaftlichen Handelns ein Grund, warum Menschen in Überschuldungssituationen geraten. "Schon junge Menschen verschulden sich", berichtet BDIU-Vorstandssprecherin Kremer, "und das oft für Konsumprodukte wie ein neues Handy oder teure Markenkleidung." 77 Prozent der BDIU-Mitglieder beobachten, dass zu hohe Konsumausgaben der Grund sind, warum sich junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren verschulden. 75 Prozent nennen ein schlechtes Vorbild im Elternhaus, und 66 Prozent bemängeln, dass junge Menschen einen zu geringen Sinn für Eigenverantwortung entwickelt hätten. Kremer appelliert in diesem Zusammenhang auch an die Verantwortung, die Unternehmen jungen Menschen gegenüber haben. "Gerade junge Kunden sind oft unerfahren", so die BDIU-Sprecherin. "Sie brauchen transparente Angebote, die sie auch verstehen, und sollten nicht mit verstecken Kosten beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen in die Irre geführt werden."

Schuldenprävention stärken

Um ein weiteres Ansteigen der privaten Verschuldung zu unterbinden, empfehlen die Inkassounternehmen in ihrer Frühjahrsumfrage ein ganzes Maßnahmenbündel. So fordern 78 Prozent der BDIU-Mitglieder eine umfassendere Vermittlung von Finanzkompetenz in der Schule und im Bildungssystem. "Es reicht eben nicht aus, dazu eine Unterrichtseinheit etwa im Fach Sozialwissenschaften anzubieten", so Kremer. "Ein eigenes Schulfach – unter dem Arbeitstitel ‚Haushalten und Schuldenprävention‘ – ist bei diesem wichtigen Thema viel sinnvoller."

Ein konsequentes Forderungsmanagement könnte darüber hinaus Schuldnern signalisieren, dass Gläubiger es mit einer Forderung ernst meinen. Auch dies trage zur Prävention von Überschuldung bei. 71 Prozent der BDIU-Unternehmen unterstützen das in der Umfrage. 69 Prozent fordern eine bessere Vermittlung von Finanzkompetenz im Elternhaus, und 48 Prozent empfehlen, dass bei der Kreditvergabe an Privatpersonen künftig strengere Maßstäbe angewendet werden sollten.

"Das Vermeiden von Überschuldung geht uns alle an", so Kremer weiter. "Hier muss das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Themas noch viel größer werden. Und das nachhaltige Vermeiden von Schulden sollte eine Lehre aus der Krise sein, die letztlich alle Akteure im Wirtschaftskreislauf betrifft. Das gilt nicht nur für den Staatshaushalt in Griechenland, sondern steht auch in jedem deutschen Haushalt auf der Tagesordnung."
 
Quelle: BDIU