BDIU: Verbraucherinsolvenzen steigen wieder an

"Die hohe private Verschuldung lässt die Zahl der Verbraucherinsolvenzen auch in diesem Jahr auf ihrem hohen Stand verharren", kommentiert Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes welche für Mai 2011 einen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen um 9,7 Prozent (9.383) und einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen um 3 Prozent (2.611), jeweils bezogen auf den Vorjahresmonat, verzeichnen.
 
Für das Gesamtjahr 2011 erwartet der BDIU voraussichtlich rund 30.000 Unternehmens- (minus 6 Prozent) und gut 100.000 Verbraucherinsolvenzen (minus 8 Prozent). Diese Prognose hält der Verband trotz der aktuellen Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten aufrecht.

"Alle Institute rechnen damit, dass das Wachstum in Deutschland weiter anhält – wenn auch auf einem wohl niedrigeren Niveau", so Spitz. "Im Übrigen hat sich die Zahlungsmoral sowohl von Unternehmen als auch von Verbrauchern seit der Rezession des Jahres 2008/09 erheblich verbessert.
 
Die Liquidität vor allem im Mittelstand, dem Herz und dem Motor der deutschen Wirtschaft, hat sich nachhaltig erholt." Ob diese positive Entwicklung angesichts der Verschuldungskrise der für die deutsche Exportindustrie wichtigen Staaten und deren möglichen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr anhält, bleibe allerdings abzuwarten, so Spitz.
 
Grund für den auf das Gesamtjahr prognostizierten Rückgang der Verbraucherinsolvenzen ist laut dem BDIU-Präsidenten auch die geplante Halbierung der Wohlverhaltensperiode. Die Bundesregierung will den Zeitraum, nach dem ein insolventer Privatschuldner von seinen Verbindlichkeiten durch die Gerichte befreit wird, von aktuell sechs auf künftig drei Jahre verkürzen. "Viele Überschuldete hoffen auf diese für sie vermeintlich bessere Regelung und warten daher noch mit einem Antrag auf Privatinsolvenz", so Spitz. "Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen spiegelt die tatsächliche Verschuldung der Verbraucher nicht wider." Bundesweit gelten derzeit mehr als drei Millionen Privathaushalte als überschuldet.

"Die Halbierung der Wohlverhaltensperiode halten wir im Übrigen für das falsche Signal", fügt Spitz hinzu. Die Risikobereitschaft von Verbrauchern, sich unüberlegt zu verschulden, könnte steigen. Das wiederum würde die Zahlungsmoral insgesamt beeinträchtigen – und somit zulasten der Wirtschaft gehen. "Eine kürzere Wohlverhaltensperiode beschneidet die Rechte der Gläubiger, die ihre berechtigten Forderungen in der Regel ausbuchen müssen, wenn einer ihrer Schuldner in die Insolvenz geht", kritisiert Spitz. "Dabei war es ein zentrales Ziel der Verbraucherinsolvenz, als sie eingeführt wurde, die bestmögliche Befriedigung der Gläubigeransprüche zu erreichen. Dieses Ziel muss wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, wenn sich der Gesetzgeber mit der notwendigen Verbesserung des Verbraucherinsolvenzrechts beschäftigt."
 
Insbesondere die geplante Halbierung der Wohlverhaltensperiode für ehemals Selbstständige beobachte der Verband mit  großer Sorge. Die Bestrebungen, gescheiterten Selbstständigen möglichst schnell die Chance zu geben, neues unternehmerisches Potenzial freizusetzen sei zwar zu begrüßen. Dennoch ist zu befürchten, dass hierbei berechtigte Ansprüche der Gläubiger auf der Strecke bleiben.
 
Die vorgeschlagene Mindestquote von 25 Prozent Gläubigerbefriedigung, die Voraussetzung für eine kürzere Wohlverhaltenszeit sein soll, sieht der Verband mit äußerster Zurückhaltung. "Wir befürchten gläubigerschädigende Mitnahmeeffekte", so Spitz. "Viele Nichtselbstständige, bei denen derzeit pfändbare Masse generiert wird, würden diese Möglichkeit zur schnelleren Entschuldung ebenfalls nützen – für die Gläubiger hätte das deutlich niedrigere Befriedigungsquoten als aktuell zur Folge." Außerdem sei zu befürchten, dass die jetzt geplanten 25 Prozent nicht das letzte Wort in dieser Sache darstellten. "Aus den Kreisen der Schuldnervertreter sind bereits Stimmen laut geworden, die eine niedrigere Quote oder sogar eine generelle Verkürzungder Wohlverhaltensperiode fordern", so Spitz. "Davor ist dringend zu warnen. Solche Schritte könnten eine deutliche Verschlechterung der Zahlungsmoral mit sich bringen, was letztendlich alle Bereiche der Wirtschaft negativ tangieren würde. Das gut gemeinte Ziel, ehemals Selbstständigen leichter einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, würde so konterkariert."
 
Grundsätzlich begrüßt der BDIU dagegen die angestrebte Ausdehnung der Erwerbsobliegenheit des Schuldners auf den Zeitraum des eröffneten Verfahrens sowie die Möglichkeit für die Gläubiger, Versagungsanträge jederzeit auch schriftlich stellen zu können. Weiterhin positiv sieht der BDIU die Schaffung eines Versagungsgrundes bei Delikten gegen das Vermögen eines späteren Insolvenzgläubigers und das Bestreben, eine missbräuchliche Wiederholung von Restschuldbefreiungsanträgen noch stärker zu unterbinden.

Quelle: Pressemitteilung BDIU