Trotz Aufschwung Rekord bei Verbraucherinsolvenzen

Mitten im Aufschwung steigt die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. 110.000 Verbraucher trifft es in diesem Jahr (2010: 108.798). Immer mehr Jugendliche sind betroffen. Grund sind häufig Konsumschulden und zu wenig Wirtschaftswissen. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, fordert jetzt mehr Finanzaufklärung und mehr Anstrengungen zur Schuldenprävention.
 
Die Schuldenkrise in Deutschland bleibt akut. In diesem Jahr werden rund 110.000 Verbraucher in die private Insolvenz gehen. Damit verharrt diese Zahl auf ihrem historischen Höchststand vom vergangenen Jahr, als mit 108.798 so viele Deutsche wie noch nie eine Verbraucherinsolvenz anmeldeten.
 
Dabei könnten noch viel mehr Menschen ein solches Verfahren anstreben. Über drei Millionen Privathaushalte in Deutschland sind überschuldet - das heißt, sie haben so viele Kredite und Rechnungen angehäuft, dass sie sie aus eigener Kraft nicht mehr zurückzahlen können. Und das mitten im Wirtschaftsaufschwung.
 
Überschuldung ist Gift für die Wirtschaft
 
In der traditionellen Frühjahrsumfrage berichten 88 Prozent der 552 im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) organisierten Inkassounternehmen, dass Überschuldung der Hauptgrund ist, warum private Schuldner Rechnungen aktuell nicht bezahlen. "Diese Entwicklung ist besorgniserregend - auch für die Gläubiger", so Marion Kremer, Vizepräsidentin des BDIU. "Denn: Wenn ein Schuldner überschuldet ist, sehen die Gläubiger häufig nicht einmal einen Cent ihrer berechtigten Forderungen wieder. Überschuldung ist ein Gift für die Wirtschaft."
 
Kremer weiter: “Das Problem der Überschuldung in Deutschland verstetigt sich, wenn selbst eine hervorragende Konjunktur diesen Negativtrend nicht stoppen kann. Daher müssen wir jetzt dringend gegensteuern und Schuldenbremsen verbunden mit effizienter Schuldenprävention zu einer Priorität der Politik machen - das gilt für die öffentlichen genauso wie für die privaten Haushalte."
 
Konsumwünsche typischer Schuldengrund
 
Auch immer mehr Jugendliche sind verschuldet. Die Gründe dafür sind vielfältig. In der Frühjahrsumfrage sollten die Inkassounternehmen angeben, was die häufigsten Ursachen für die sogenannten frühen Schulden sind.
 
80 Prozent nennen dabei hohe Konsumausgaben und 69 Prozent geben an, dass das Elternhaus den jungen Verbrauchern bereits einen schlechten Umgang mit Geld vorgelebt habe.

Weiterhin beobachten 64 Prozent der Inkassounternehmen bei jungen Verbrauchern ein mangelhaft ausgeprägtes Bewusstsein, für die Ergebnisse ihres eigenen wirtschaftlichen Handelns selbst verantwortlich zu sein. 59 Prozent bemängeln zudem, dass in den Schulen zu wenig über den verantwortungsvollen Umgang mit Geld aufgeklärt werde.
 
Dabei scheint Aufklärung dringend geboten. "Junge Verbraucher gehen mit ihren finanziellen Ressourcen leichtfertiger um als Erwachsene", berichtet Kremer, "sie sind eher bereit, Risiken einzugehen, und geben ihr Geld häufig zur Befriedigung von Konsumwünschen aus."
 
Hinzu kommt, dass junge Verbraucher in der Regel eine vergleichsweise schlechtere Zahlungsmoral aufweisen. 41 Prozent der Inkassounternehmen berichten in der Frühjahrsumfrage, dass junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren Forderungen nachlässiger begleichen als über 25-Jährige - nur neun Prozent bescheiden ihnen ein besseres Zahlungsverhalten als älteren Wirtschaftsteilnehmern.
 
Oft Schulden für Telefon und Internet
 

So unterschiedlich wie das Zahlungsverhalten sind auch die typischen Gläubiger von jungen und erwachsenen Schuldnern. Die Jungen haben vor allem Schulden bei Telekommunikationsunternehmen (87 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das), Onlinehändlern (77 Prozent) und Versandhändlern (64 Prozent). Bei den Erwachsenen stehen Banken und Kreditinstitute laut 77 Prozent der Inkassounternehmen an erster Stelle der Gläubigerliste, gefolgt von Versandhändlern (63 Prozent) und Telekommunikationsunternehmen (61 Prozent).
 
Dass Erwachsene vor allem bei Banken und Kreditinstituten in der Kreide stehen, verwundert nicht. "Hierbei handelt es sich oft um Immobilienkredite oder um Verpflichtungen, die Verbraucher für die Absicherung ihres Lebensstandards eingegangen sind", so BDIU-Vizepräsidentin Kremer. "Sich für Dinge der Lebensplanung zu verschulden, kann ein vernünftiger und nachvollziehbarer Schritt sein", erläutert Kremer weiter, "selbstverständlich immer unter der Voraussetzung, dass man sich zuvor einen Plan gemacht hat, wie man diese Verbindlichkeiten begleichen will." Schulden für Telekommunikationsdienstleistungen bewertet Kremer dagegen völlig anders. "Das sind reine Konsumschulden", sagt sie. "Sich für ein angesagtes Handy zu verschulden, ist unüberlegt und kann ein teures Vergnügen werden, für das man möglicherweise lange Zeit die Zeche zahlen muss."
 
Weiterhin melden die Inkassounternehmen: Erwachsene haben eher Schulden bei Vermietern (58 Prozent der Befragten bestätigen das) als junge Verbraucher (36 Prozent), und junge Menschen verschulden sich stärker bei Internet-Serviceanbietern (51 Prozent) als Erwachsene (33 Prozent).
 
Frühe Schulden prägen fürs Leben
 
Die Negativfolgen früher Schulden können für ein ganzes Leben prägen, wie auch eine Studie der Universität Mainz bestätigt. Demnach erfahren verschuldete Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld eine weitaus geringere Unterstützung als Jugendliche ohne Schulden. Außerdem sind sich viele junge Verschuldete nicht bewusst, welche Folgen ihr finanzielles Handeln für sie hat. Ein wichtiges Fazit der Mainzer Forscher lautet: "Frühe Verschuldung kann zu erheblichen Problemen in Bezug auf den Erwerb finanzieller Autonomie führen", so Professor Klaus Breuer vom Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik an der Universität Mainz.
 
Für Marion Kremer sind die Schlussfolgerungen aus dieser Studie klar. "Wir müssen mehr Schuldenprävention leisten", sagt sie. "Und Schuldenprävention muss bei Kindern und Jugendlichen ansetzen, wenn sie nachhaltig wirken soll. Wir fordern: Der korrekte Umgang mit dem zur eigenen Verfügung vorhandenen Geld und das Vermeiden von Schulden müssen feste Bestandteile des Schulunterrichts werden."
 
Quelle: Pressemitteilung BDIU