Inkasso-Glossar: Aufrechnung

Aufrechnung

Grundsätzlich wird unter Aufrechnung die wechselseitige Tilgung gegenseitiger, gleichartiger Forderungen durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung verstanden (§ 387 ff. BGB). Die Gegenforderung, mit der der Schuldner aufrechnet, muss vollwirksam, fällig und einredefrei sein. Die Hauptforderung, gegen die der Schuldner aufrechnet, muss erfüllbar sein (Wirksamkeit und Fälligkeit nicht erforderlich).

Die sechs Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung sind:

  • Aufrechnungserklärung des Aufrechnenden. Nicht wirksam ist eine unter einer Bedingung abgegebene Erklärung.
  • Gegenseitigkeit der Forderungen. Der Schuldner der einen Forderung muss Gläubiger  der anderen Forderung sein und umgekehrt, d.h. jede Partei ist zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen. Eine Ausnahme besteht gemäß § 406 BGB für den Fall der Aufrechnung nach der Abtretung der Hauptforderung. Der Schuldner ist danach berechtigt, gegen den neuen Gläubiger aufzurechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
  • Gleichartigkeit der Forderungen. Es muss sich beidseits um Zahlungsansprüche handeln. Nicht erforderlich ist, dass Geldforderungen in derselben Höhe bestehen.
  • Wirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung. Die Forderung mit der aufgerechnet werden soll, muss wirksam entstanden und fällig sein. Hier muss bei Ansprüchen auf rückständigen Arbeitslohn beachtet werden, dass nicht selten Ausschlussfristen für die Geltendmachung solcher Ansprüche vereinbart sind. Das kann nur anhand der konkreten arbeitsvertraglichen Grundlagen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge) geprüft werden.
  • Erfüllbarkeit der Hauptforderung. Die Forderung gegen die aufgerechnet werden soll, muss erfüllbar sein. Nicht erforderlich ist dagegen, dass sie wirksam entstanden, durchsetzbar oder fällig ist.
  • Es liegt kein Aufrechnungsverbot vor. Der Aufrechnung darf kein vertragliches oder gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegenstehen.

Die Aufrechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem sich die beiden Forderungen zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstanden (Eintritt der Aufrechnungslage), d. h. von diesem Zeitpunkt an gelten die Forderungen - soweit sie sich decken - als erloschen (§ 389 BGB)

Folge ist, dass:

  • keine Verzugszinsen gefordert werden können
  • auch Aufrechnung erklärt werden kann, wenn die Hauptforderung bereits verjährt ist, soweit die Forderung beim Eintritt der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war (§ 215 BGB).

Unzulässig ist die Aufrechnung wenn:

  • sie vertraglich wirksam ausgeschlossen wurde (§§ 391 Absatz 2, 309 Nr. 3 BGB)
  • die Hauptforderung beschlagnahmt wurde, außer beide Forderungen haben sich bereits zu irgendeinem Zeitpunkt beschlagnahmefrei gegenübergestanden haben (§ 392 BGB)
  • die Hauptforderung eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung darstellt (§ 393 BGB)
  • die Hauptforderung unpfändbar ist (§ 394 BGB) das Insolvenzrecht entgegensteht (§ 96 Insolvenzordnung, InsO)

Ein Gläubiger kann im Insolvenzfall durch Aufrechnungsmöglichkeiten eine Vorzugsstellung erlangen. Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Ausübung einer zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungsbefugnis bleibt grundsätzlich erhalten (§ 94 ff InsO).

Dies gilt auch dann, wenn die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht gegeben ist, aber später eintritt. Sind die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen bei der Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt, nicht fällig oder nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, kann erst aufgerechnet werden, wenn diese Aufrechnungshindernisse beseitigt sind. Von diesen Regeln lässt die Insolvenzordnung Ausnahmen zu, die eine Aufrechnung teils erleichtern, teils erschweren.