ADF-Inkasso-Newsticker 04/2008

Akteneinsicht in Insolvenzakte durch ehemaligem Geschäftsführer

Eine Bank, die über ihre eigentliche Kreditgeberrolle hinaus als Verkäuferin einer Immobilie (Boarding-House) auftritt, ist dem Kreditnehmer und Erwerber gegenüber zur Risikoaufklärung verpflichtet und darf nicht nur ihre eigenen Vermarktungs- und Geschäftsinteressen verfolgen. Sie hat den Vertragspartner insbesondere darauf hinzuweisen, dass die im Prospekt ausgewiesene Festmiete nicht erwirtschaftet werden kann und zur Ausgleichung der Unterdeckung der Betriebsergebnisse Differenzzahlungen an die Betreibergesellschaft zu zahlen sind. An der Haftung der Bank ändert auch nichts, dass sie zur Vermarktung der kreditfinanzierten Immobilien eine externe Vertriebsorganisation eingeschaltet hat. Sie muss sich Beratungsversäumnisse der Vertriebsmitarbeiter wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.

Quelle: OLG Karlsruhe, AZ: 17 U 73/07
 


Erbausschlagung durch pflichtteilsberechtigten Alleinerben
 
Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbteil größer, so kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt. Dies ist in § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt.
 
Das Oberlandesgericht Karlsruhe wendet diese Vorschrift auch dann an, wenn der testamentarisch eingesetzte Erbe (hier Ehegatte) Alleinerbe ist. Auch dieser muss das Recht auf Ausschlagung haben, wenn er im Testament enthaltene Beschwerungen und Auflagen nicht hinnehmen will. Schlägt der Alleinerbe das Erbe fristgerecht aus, kann er von dem an seine Stelle nachrückenden Ersatzerben Auskunft über die Höhe des Nachlasses und die Auszahlung des Pflichtteils verlangen.

OLG Karlsruhe, AZ: 7 U 114/07


Gesamtschuldner-Innenausgleich in einer BGB-Gesellschaft

Hat einer von mehreren Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft (hier: einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis von Gynäkologen) schuldhaft verursacht, dass die Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnte, kann dies im Rahmen des Gesamtschuldner-Innenausgleichs unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen

BGH, AZ: II ZR 136/06


Handelsvertreteranspruch bei Scheitern eines Geschäfts wegen Insolvenz

Nach § 87a Abs. 2 HGB verliert ein Handelsvertreter seinen Provisionsanspruch, wenn der Dritte, mit dem das Geschäft vermittelt wurde, nicht leistet. Diese Bestimmung kommt jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn die Nichtleistung des Dritten darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer seinerseits das Geschäft nicht ausführt, oder wenn die Nichtleistung des Dritten auf vom Unternehmer zu vertretenden Gründen beruht. In solchen Fällen hat die Regelung des § 87a Abs. 3 HGB Vorrang, wonach der Handelsvertreter seinen Vergütungsanspruch auch bei Nichtzustandekommen des vermittelten Geschäfts behält. Zu den vom Unternehmer zu vertretenden Gründen zählt der Bundesgerichtshof auch dessen Insolvenz.

Quelle: BGH, AZ: VIII ZR 31/07


Keine Rückforderung einer versehentlichen Zuvielüberweisung

Im Rahmen eines Kaufvertrags über ein Wohnungserbbaurecht erhielt eine Bank per Telefax den Auftrag zur Überweisung eines bestimmten Teilbetrags an den Verkäufer. Hierbei übersah der Bankmitarbeiter, dass die angegebene Summe wegen angeblicher Gegenansprüche um 2.500 Euro gekürzt werden sollte. Der Zahlungsempfänger hatte zum Zeitpunkt der Gutschrift keine Kenntnis von der beabsichtigten Kürzung der Zahlung. Er verweigerte daher die Rückzahlung des von der Bank versehentlich zu viel überwiesenen Betrags. Daraufhin erhob das Geldinstitut Zahlungsklage, die der Bundesgerichtshof jedoch abwies.

Die Bank kann von dem gutgläubigen Zahlungsempfänger die irrtümliche Zuvielüberweisung nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangen. Ein gewissenhafter Gläubiger könnte sich andernfalls nicht darauf verlassen, dass er den überwiesenen Betrag behalten und darüber frei disponieren darf. Ein Rückzahlungsanspruch kann in einem derartigen Fall nur dem die Überweisung veranlassenden Vertragspartner selbst zustehen.

Quelle: BGH, AZ: XI ZR 371/07


Kontoüberweisung trotz bevorstehender Insolvenz
 
Veranlasst eine Bank, die für ein Unternehmen ein überzogenes Konto führt, nach der Kontopfändung durch einen Gläubiger des Kunden die der Pfändung zugrunde liegende Forderung durch Überweisung an den Pfändungsgläubiger zu begleichen, und erteilt der Kunde hierauf einen entsprechenden Überweisungsauftrag, kommt in Höhe des überwiesenen Betrages auch ohne weitere Abrede ein Darlehensvertrag zustande.
 
Gerät das Unternehmen in Insolvenz, fällt der Darlehensanspruch in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter kann die Überweisung anfechten, mit der Folge, dass der Pfändungsgläubiger den durch die Überweisung erhaltenden Betrag herausgeben muss.

BGH, AZ: IX ZR 213/06


Rigide Inkassomethoden

Wirbt ein Inkasso-Unternehmen mit dem Slogan "Ihr Schuldner muss kein Russisch können - er wird auch so verstehen", kann ihm wegen der wenn auch nur unterschwelligen Werbung mit Gewalt die Lizenz entzogen werden.

Quelle: LG Köln, AZ: 33 O 390/06


Sittenwidrige Angehörigenbürgschaft trotz Verwaltungsratstätigkeit
 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Bürgschaftsverträge zwischen Kreditinstituten und bürgenden oder mithaftenden Angehörigen des Kreditnehmers in der Regel unwirksam, wenn die Angehörigen hinsichtlich der Höhe der Haftung wirtschaftlich erkennbar überfordert sind. Eine Ausnahme kann jedoch gelten, wenn der Bürge ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der durch die Bürgschaftsübernahme ermöglichten Kreditgewährung hat.
 
Für das Oberlandesgericht Koblenz liegt ein die Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrags ausschließendes wirtschaftliches Interesse nicht bereits dann vor, wenn eine mittellose Ehefrau für eine Aktiengesellschaft bürgt, deren Anteile zu 50 Prozent von ihrem Mann gehalten werden und in der sie selbst Mitglied des Verwaltungsrats ist.

OLG Koblenz, AZ: 6 U 1553/06


Trotz Missbrauch keine Räumungsvollstreckung

Eine Räumungsvollstreckung darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter im Besitz der Mietsache ist, der weder im Vollstreckungstitel noch in der beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur eingeräumt worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln.

Quelle: BGH, AZ: I ZB 39/08


Unwirksame Globalabtretung

Eine bereits im Darlehens- und Sicherungsvertrag vorgenommene Globalzession aller künftigen Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb bis zur Höhe der zu sichernden Forderung ist mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam. Eine wirksame Abtretung setzt die Bestimmtheit der abgetretenen Forderung voraus. Im Falle der Abtretung künftiger Forderungen ist es notwendig, dass die einzelne Forderung spätestens im Zeitpunkt ihrer Entstehung nach Gegenstand und Umfang genügend bestimmbar ist. Dabei muss nicht nur für die Vertragsparteien, sondern für jeden, der die Parteiabsprachen kennt, ohne weiteres ersichtlich sein, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Forderung übergehen soll. Denn der Schuldner muss sich in zumutbarer Weise darüber Gewissheit verschaffen können, an wen er zu leisten hat.

An der unzureichenden Bestimmbarkeit ändert auch nichts, wenn monatlich sog. OPOS-Listen übergeben werden, die den Sicherungsgeber über die aktuell von der Zession erfassten Forderungen informieren sollen. Bei einer bereits im Darlehens- und Sicherungsvertrag vorgenommenen Globalzession kann die nachträgliche - dann lediglich deklaratorische - Übersendung von Listen zur Information des Sicherungsnehmers über die aktuell (vermeintlich) von der Sicherungszession erfassten Forderungen nichts an der Unbestimmtheit im vorangehenden Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Forderungen ändern.

Quelle: OLG AZ: 27 U 28/07


Unzulässiger Insolvenzantrag
 
Ist die Forderung eines Gläubigers zweifelsfrei & dinglich gesichert, ist der vom Gläubiger gestellte Insolvenzantrag mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig.

BGH, AZ: IX ZB 12/07


Zuständiges Mahngericht für Limited ohne inländische Hauptniederlassung

Will eine Limited englischen Rechts, die über keine Hauptniederlassung in Deutschland verfügt, vor einem deutschen Gericht einen Mahnbescheid beantragen, ist das Mahngericht örtlich zuständig, von dem aus die geschäftliche Tätigkeit maßgeblich entfaltet wird.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, AZ: 14 UH 34/07