BDIU: Bessere Zahlungsmoral, aber steigende Firmeninsolvenzen und Rekord bei Verbraucherinsolvenzen

Die Zahlungsmoral in Deutschland hat sich verbessert. In der traditionellen Herbstumfrage unter den 560 Mitgliedsfirmen des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU),

Berlin, melden jetzt 80 Prozent der Teilnehmer, dass Kunden Rechnungen genauso gut oder besser bezahlen als noch in diesem Frühjahr. Grund sind die gute Konjunktur und die sinkende Arbeitslosigkeit. Aber: Gleichzeitig steigen die Insolvenzen. Bis zu 34.000 Unternehmen werden voraussichtlich in diesem Jahr zahlungsunfähig (2009: 32.687), und die Verbraucherinsolvenzen klettern sogar auf einen neuen Rekord mit rund 110.000 Verfahren (2009: 101.102). "Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit waren für viele der Tropfen, der das Schuldenfass erst jetzt zum Überlaufen brachte", erläuterte BDIU-Präsident Wolfgang Spitz am Dienstag in Berlin. "Wirtschaft und Verbraucher haben den Konjunktureinbruch noch nicht ausgleichen können."

Hauptgrund für ausbleibende Zahlungen durch Verbraucher ist Überschuldung. 93 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das. Aktuell gelten mehr als drei Millionen Haushalte als überschuldet. Und auch immer mehr junge Menschen verschulden sich. Gründe sind zu hohe Konsumausgaben (85 Prozent der BDIU-Mitglieder melden das), ein schlechtes Vorbild des Elternhauses (80 Prozent) und mangelnde Eigenverantwortung (66 Prozent). "Wir brauchen mehr Finanzaufklärung, etwa durch verpflichtende Angebote in den Schulen", fordert Marion Kremer, Vizepräsidentin des Verbandes. Bestrebungen der Bundesregierung, die Zeit bis zur Restschuldbefreiung von jetzt sechs auf künftig drei Jahre zu halbieren, sieht der Verband kritisch. "Wir wissen, dass viele Schuldner Respekt vor der langen Wohlsverhaltensperiode haben", so Kremer. "Eine Verkürzung würde nur dazu führen, dass einige jetzt erst recht Schulden anhäufen - denn sie gehen davon aus, dass sie sich schnell ihrer Verpflichtungen entledigen könnten." Die Bundesregierung sollte stattdessen die vorgerichtliche Einigung mit den Gläubigern weiter stärken, empfiehlt Kremer. Das sei unbürokratisch und kostengünstig.
 
Vom steigenden Konsum profitiert aktuell der Onlinehandel. Doch zahlen Verbraucher im Internet in der Regel schlechter als offline, wie 57 Prozent der Inkassounternehmen in der Umfrage berichten. Häufigste Gründe: Vorsätzliches Nichtbezahlen (70 Prozent melden das) und die absichtliche Eingabe falscher persönlicher Daten beim Onlinekauf (63 Prozent). "Dabei handelt es sich um kein Kavaliersdelikt", stellt BDIU-Präsident Spitz klar. Immer mehr Verbraucher werden aber auch Opfer von Betrügern, die ihre persönlichen Daten klauen. Die Masche: Sie melden sich beispielsweise mit der Identität einer anderen Person in einem Shop an und lassen Waren an ihre eigene Adresse oder ein Postfach liefern. Fast ein Drittel aller BDIU-Mitgliedsunternehmen haben in diesem Jahr bereits Inkassoverfahren bearbeitet, die auf einen solchen Identitätsdiebstahl zurückzuführen waren. Der BDIU empfiehlt den Geschädigten schnelles Handeln. "Im Zweifel muss das sofort zur Anzeige gebracht werden", so Präsident Spitz. Auch sollte unmittelbar mit dem Gläubiger beziehungsweise dem Inkassounternehmen Kontakt aufgenommen werden. Auch Inkassounternehmen könnten Datenklau-Forderungen nicht immer sofort erkennen. "Unsere Verbandsmitglieder realisieren nur ausgemahnte, unbestrittene Forderungen", erläutert Spitz. Dennoch sollte jeder mit seinen persönlichen Daten im Internet sorgsam umgehen.
 
Nicht nur Shopbetreiber sollten sich jetzt mit einem straffen Forderungsmanagement vor Rechnungsausfällen schützen: 62 Prozent der Inkassounternehmen melden, dass Privatkunden das Bezahlen von Rechnungen derzeit absichtlich hinauszögern (Frühjahr: 50 Prozent). Bei gewerblichen Schuldnern sind hohe Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden der Grund, warum sie Rechnungen aktuell nicht bezahlen (82 Prozent). Für Unternehmen sei zudem die Aufstockung von Eigenkapital jetzt eine gute Insolvenzvorsorge, so der BDIU.
 
Die aktuellen Sparanstrengungen der Bundesregierung begrüßt der Verband. Aber im Insolvenzrecht seien sie teilweise kontraproduktiv. So sollen die Finanzverwaltungen künftig ein Vorgriffsrecht bei Insolvenzen erhalten. Konkret: Wenn ein zahlungsunfähiges Unternehmen noch Rückerstattungsansprüche gegenüber dem Finanzamt hat, sollen diese demnächst mit den Forderungen der Finanzämter verrechnet werden. "Für Selbstständige und kleine Unternehmen bedeutet das in aller Regel das wirtschaftliche Aus", kritisiert Spitz, "auch wenn sie hätten saniert werden können." Die von der Regierung erwarteten Mehreinnahmen von über 300 Millionen Euro pro Jahr hält Spitz für unrealistisch. "Die Mitarbeiter werden in die Arbeitslosigkeit entlassen - und hierfür müssen die Sozialversicherungen und der Staat dann doch wieder aufkommen. Außerdem gehen Steuereinnahmen verloren, wenn wirtschaftliche Tätigkeit unterbunden wird. Wir würden es daher begrüßen, wenn die Bundesregierung von diesem Vorgriffsrecht doch noch absieht und dem Grundsatz 'Sanierung vor Zerschlagung' eine echte Chance gäbe."
 
 Quelle: BDIU Pressemitteilung