BMJ: Mehr Rechtsschutz im Zivilrecht

Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf zur Einführung eines neuen Rechtsmittels im Zivilprozess erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Heute haben wir ein neues Rechtsmittel für den Zivilprozess auf den Weg gebracht - eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen Zurückwei­sungsbeschlüsse der Berufungsgerichte. Seit 2002 hatten Zivilgerichte die Möglichkeit, eine Berufung unabhängig vom Streitwert durch unan­fechtbaren Beschluss zurückzuweisen. Damit ist jetzt Schluss. Der effek­tive Rechtsschutz darf nicht den Kosten geopfert werden.

Das neue Gesetz sorgt für ein einheitliches Rechtsschutzniveau und be­seitigt rechtsstaatliche Unwuchten im Berufungsverfahren. Bislang ist die Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss das letzte Wort, selbst wenn gegen ein Urteil gleichen Inhalts die Nichtzulassungsbeschwerde möglich wäre. Der Entwurf sieht einen neuen Rechtsbehelf vor, der eine Anfechtung unter gleichen Voraussetzungen wie beim Beru­fungsurteil ermöglicht. Künftig unterliegt die Rechtsprechung der Beru­fungsgerichte ab 20.000 Euro wieder in vollem Umfang höchstrichterli­cher Kontrolle.

Die Reform beseitigt regionale Unterschiede im Rechtsschutz. Bisher wurde von Gericht zu Gericht sehr unterschiedlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Berufungen durch unanfechtbaren Beschluss zurück­zuweisen. Während in bestimmten Gerichtsbezirken mehr als jede vier­te Berufung durch unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen wurde, war es in anderen Regionen nicht einmal jede zehnte. Mit dem neuen Gesetz wirken sich die regionalen Unterschiede nicht mehr aus, weil es künftig die gleichen Rechtsmittel gibt, egal ob die Entscheidung durch Ur­teil oder Beschluss ergeht. Der Gerichtsort entscheidet nicht mehr über die Qualität des Rechtsschutzes.

Die Neuregelung stellt außerdem sicher, dass die mündliche Verhand­lung im Berufungsverfahren nur entfällt, wenn sie wirklich entbehrlich ist. Die mündliche Verhandlung als Kernstück des Zivilprozesses wird ge­stärkt.

Zum Hintergrund:
Berufungsgerichte sind derzeit nach § 522 Absatz 2 ZPO verpflichtet, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Ein solcher Zurück­weisungsbeschluss ist unanfechtbar und ergeht ohne mündliche Ver­handlung.

Die Vorschrift wird in der Gerichtspraxis sehr unterschiedlich angewen­det. Im Jahr 2009 bewegte sich die Quote der Erledigung durch Zurück­weisungsbeschluss auf der Ebene der Landgerichte zwischen 6,4 Pro­zent im OLG-Bezirk Karlsruhe und 23,8 Prozent im OLG-Bezirk Braun­schweig, auf Ebene der Oberlandesgerichte zwischen 9,1 Prozent beim OLG Hamm und 27,1 Prozent beim OLG Rostock.

Der heute von der Bundesregierung auf Vorschlag der Bundesjustizmi­nisterin beschlossene Gesetzentwurf sieht deshalb die Nichtzulassungs­beschwerde auch gegen Zurückweisungsbeschlüsse vor. Damit werden Zurückweisungsbeschlüsse unter den gleichen Voraussetzungen wie heute schon Berufungsurteile anfechtbar, also ab einer Beschwer von 20.000 Euro.

Die geplante Neuregelung stärkt überdies die mündliche Verhandlung. Ist die mündliche Erörterung des Rechtsstreits ein Gebot der Fairness - zum Beispiel wegen seiner großen Bedeutung für die Parteien -, muss künftig im Berufungsverfahren selbst dann mündlich verhandelt werden, wenn die Sache aussichtslos erscheint und keine Grundsatzbedeutung hat.

Der Regierungsentwurf wird jetzt über den Bundesrat dem Deutschen Bundestag zur parlamentarischen Beratung zugeleitet.


Quelle: BMJ Pressemitteilung