In ihrer Herbstumfrage prognostiziert die deutsche Inkassowirtschaft einen rapiden Abfall der Zahlungsmoral innerhalb der nächsten sechs Monate, sollte die Eurokrise weiterhin anhalten. 79 Prozent der befragten Inkassodienstleister rechnen damit, dass Unternehmen dann ihre Rechnungen schlechter bezahlen werden – von Verbrauchern nehmen das 70 Prozent an. In der Folge würden die Unternehmensinsolvenzen spürbar steigen. Diese gehen in diesem Jahr dank des Wirtschaftswachstums auf 30.000 zurück (2010: 31.998).
Derzeitige Zahlungsmoral
Aktuell ist die Zahlungsmoral so gut wie seit über zehn Jahren nicht: 86 Prozent der Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) melden, dass Rechnungen jetzt besser oder genauso gut wie vor sechs Monaten beglichen werden. Besonders im Einzelhandel, im Gastgewerbe und in der Dienstleistungsbranche zahlen Kunden nun spürbar besser. Kritisch ist weiterhin die Zahlungsmoral im Handwerk. 58 Prozent der Inkassounternehmen bemängeln die Rechnungstreue von dessen Kunden – und das sind oft kommunale, öffentliche Aufraggeber.
Leere Kassen der Öffentlichen Hand
Das ohnehin schlechte Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand hat sich laut BDIU-Herbstumfrage weiter verschlechtert. "Immer mehr Städte stehen vor der Zwangsverwaltung und sind eigentlich pleite", beschreibt Verbandspräsident Wolfgang Spitz die Situation. "Dabei könnten sie durch ein konsequentes Forderungsmanagement deutliche Mehreinnahmen generieren." Bundesweit betragen die Außenstände der Kommunen mehr als 16 Milliarden Euro.
Die Stadt Wiesbaden zeige laut Spitz, wie dieses Problem bewältigt werden könne. Seit 2003 verfügt die hessische Landeshauptstadt über ein kommunales Forderungsmanagement, das die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern wie Auskunfteien und Inkassounternehmen vorsieht. Unter Einhaltung des Datenschutzes übernehmen diese das Inkasso niedergeschlagener Forderungen.
Privatverschuldung hoch – jeder zehnte Erwachsene betroffen
Problematisch bleibt die private Verschuldung. Zwar sinkt die Zahl der Verbraucherinsolvenzen dieses Jahr leicht auf gut 100.000 (2010: 108.798). Aber insgesamt sind etwa 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ver- oder überschuldet.
Gründe, warum Verbraucher Rechnungen aktuell nicht wie vereinbart begleichen, sind Überschuldung (90 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das), Arbeitslosigkeit (69 Prozent), vorsätzliches Nichtbezahlen (56 Prozent) und ein vorübergehender Liquiditätsengpass (47 Prozent).
Junge Verbraucher verschulden sich für Konsum
Bedenklich sind die Beobachtungen der Inkassowirtschaft zur Jugendverschuldung. 39 Prozent melden, dass junge Verbraucher (bis 24 Jahre) schlechter zahlen als Ältere. Jugendliche haben vor allem Konsumschulden. Hauptgläubiger junger Verbraucher sind Telekommunikationsunternehmen (87 Prozent der Inkassounternehmen melden das), Online- und Versandhändler (76 beziehungsweise 66 Prozent) sowie Internet-Serviceanbieter (56 Prozent).
Mangelhafte Finanzkompetenz
"Die Entwicklung macht uns große Sorgen", so BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer. "Wer in jungen Jahren hohe Konsumschulden eingeht, nur um ein kurzfristiges Bedürfnis zu befriedigen, gefährdet die eigene wirtschaftliche Existenz auf Jahre hinaus. Hier fehlt es offensichtlich an Finanzkompetenz."
Kremer weiter: "Wir machen häufig die Erfahrung, dass verschuldete Jugendliche aus einem Elternhaus kommen, das ihnen einen unverantwortlichen Umgang mit Geld vorgelebt hat – viele kommen auch aus bildungsfernen Schichten.Hier hat der Staat eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wir brauchen dringend ein verpflichtendes Schulfach Finanzkompetenz in ganz Deutschland. So kann es uns gelingen, das Überschuldungsproblem nachhaltig in den Griff zu bekommen."
Quelle: Pressemitteilung BDIU