Umfrage der Inkasso-Unternehmen: Stabilität von Unternehmen und Liquidität von Kommunen in Gefahr

Die Rezession drückt weiterhin die Zahlungsmoral. In der Frühjahrsumfrage des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), Berlin, melden jetzt 48 Prozent der befragten Brachenunternehmen, dass Kunden Rechnungen schlechter bezahlen - 47 Prozent sagen, die Zahlungsmoral sei jetzt genauso schlecht wie vor sechs Monaten.

"Die Krise ist für den Mittelstand noch nicht vorbei", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz, "trotz des leichten Wirtschaftswachstums in diesem Jahr." Immer mehr Firmen geraten in Zahlungsschwierigkeiten, weil fest eingeplante Aufträge nicht gekommen sind oder bereits ausgeführte Aufträge nicht bezahlt werden können. Wegen der anhaltenden Liquiditätsprobleme rechnet der BDIU in diesem Jahr daher mit bis zu 36.000 Unternehmensinsolvenzen (2009: 32.687). 
 
Öffentliche Hand schlechter Zahler 
 
Immer häufiger berichten Auftraggeber über Zahlungsverzögerungen durch die öffentliche Hand. 22 Prozent der BDIU-Firmen melden in der Umfrage, dass deren Rechnungstreue weiter nachgelassen habe. Grund seien der teilweise dramatische Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen und die gleichzeitig deutlichen Kostensteigerungen im Sozialbereich. Daher müssten insbesondere Kommunen jetzt verstärkt alternative Finanzierungsformen erwägen. Der BDIU verweist auf Einnahmepotenziale beim Forderungsmanagement. "Die Außenstände der Kommunen belaufen sich auf derzeit mindestens zwölf Milliarden Euro", so Spitz. Zur Realisierung dieser Fehlbeträge hätten Kommunen bereits mit Inkassounternehmen zusammengearbeitet und dabei positive Erfahrungen gemacht. Diese Zusammenarbeit sei rechtlich möglich und solle künftig häufiger genutzt werden.
 
Laut der Umfrage sind das Baugewerbe, die Dienstleistungsbranche und das Handwerk besonders von der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden betroffen - häufig als Folge eines Dominoeffektes. Denn 77 Prozent der Umfrageteilnehmer melden, dass hohe Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden der Grund sind, warum gewerbliche Schuldner derzeit schlecht zahlen. 69 Prozent berichten von einem vorübergehenden Liquiditätsengpass, und 68 Prozent sagen, eine schlechte Auftragslage hindere Unternehmen derzeit daran, ihren Zahlungsverpflichtungen vereinbarungsgemäß nachzukommen.
 
Bei Verbrauchern sind laut 90 Prozent der Umfrageteilnehmer Überschuldung sowie Arbeitslosigkeit (82 Prozent) die Gründe für ausbleibende Zahlungen. Insgesamt habe sich die Krise für die Verbraucher und deren Zahlungsverhalten weniger stark ausgewirkt als befürchtet, insbesondere wegen der nur gering gestiegenen Arbeitslosigkeit. Aufgrund der hohen Überschuldung werden die Verbraucherinsolvenzen dennoch weiter - allerdings moderat - steigen. Der BDIU erwartet in diesem Jahr 105.000 Fälle - nach 101.102 in 2009.
 
BDIU: Wohlverhaltensphase nicht verkürzen
 
Die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angestrebte Halbierung der Zeit bis zur Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren begleitet der Verband kritisch. Dies soll ehemals Selbstständigen den wirtschaftlichen Wiedereinstieg bereits nach drei Jahren ermöglichen. Der BDIU weist darauf hin, dass für ehemals Selbstständige und überschuldete Verbraucher dasselbe Insolvenzrecht gelte. "Nur drei Jahre bis zur Restschuldbefreiung wären für viele Schuldner das psychologische Signal, vorher noch einmal richtig Schulden zu machen", mahnt BDIU-Präsident Spitz. "Kommt ein Schuldner wieder zu Geld, kann er auch nach geltender Rechtslage das Insolvenzverfahren beenden und seine Verpflichtungen bedienen." Unbürokratischer und für die Allgemeinheit günstiger sei die außergerichtliche Einigung. Sie solle vom Gesetzgeber stärker gefördert werden.
 
Wichtig sei außerdem die Schuldenprävention. "Schon junge Menschen verschulden sich", berichtet BDIU-Vorstandssprecherin Marion Kremer, "und das oft für Konsumprodukte wie ein neues Handy oder teure Markenkleidung." Um Überschuldung zu bekämpfen, empfehlen die BDIU-Unternehmen ein Maßnahmenbündel. 78 Prozent fordern die umfassendere Vermittlung von Finanzkompetenz in der Schule und im Bildungssystem - "etwa durch ein eigenes Schulfach, unter dem Arbeitstitel 'Haushalten und Schuldenprävention'", so Kremer. Ein konsequentes Forderungsmanagement signalisiere Schuldnern außerdem, dass es Gläubiger ernst mit einer Forderung meinen. Auch dies trage zur Prävention bei. 71 Prozent unterstützen das in der Umfrage. 69 Prozent fordern zudem eine bessere Vermittlung von Finanzkompetenz im Elternhaus. Kremer weiter: "Das Vermeiden von Überschuldung steht nicht nur für den Staatshaushalt in Griechenland, sondern in jedem deutschen Haushalt auf der Tagesordnung."
 
Quelle: BDIU