Wird es ein Insolvenzverfahren für EG-Staaten geben?

Neben einer strengeren Handhabung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wird auch darüber diskutiert, durch die Einführung einer Insolvenzordnung zukünftig einen drohenden Staatsbankrott zu verhindern.

Diskutiert wird in diesem Rahmen zum Beispiel die geordnete staatliche Insolvenz für Euro-Mitglieder. Durch ein solches Verfahren soll auch verhindert werden, dass Maßnahmen wie das EU-Rettungspaket die Regel werden.

Ziel eines solchen Instruments ist es nicht, Staaten ähnlich wie private Unternehmen geordnet "vom Markt zu nehmen". Vielmehr liegt die Funktion eines Insolvenzverfahrens darin, im Vorfeld die Gläubiger des Staates und die politisch verantwortlichen Akteure zur Vorsicht zu ermahnen. Die Insolvenzordnung hätte im Idealfall präventiven Charakter. Ähnlich wie bei der Insolvenz eines Unternehmens würden auch bei der Insolvenz eines Staates die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Die Gläubiger sind all jene Investoren, Banken, Anleger und Institutionen, die Anleihen des betroffenen Staates gekauft haben und dem Staat auf diese Weise Finanzmittel zur Bewältigung seiner Staatsaufgaben zur Verfügung stellten.

Eine solche Insolvenzordnung hätte sowohl Folgen für die Geldgeber als auch für die Staaten selbst. Die Geldgeber würden aufgrund eines potentiell drohenden Zahlungsausfalls vorsichtiger reagieren und genau überlegen, von welchen Staaten sie Staatsanleihen kaufen und von welchen nicht. Die Märkte würden die Insolvenz-Option jedoch auch als Risikoaufschlag in den verlangten Zins einpreisen. Refinanzierungskosten könnten für einige Staaten ansteigen. Die Staaten wiederum müssten sich dementsprechend schon frühzeitig darum bemühen ihre Kreditwürdigkeit möglichst hoch zu halten – denn nur so könnten sie die Investoren auch weiterhin für sich gewinnen und ihre eigenen Refinanzierungskosten auf einem geringen Niveau halten. Dieses zur Vorsicht auf beiden Seiten anhaltende Prinzip fehlte bisher teilweise, da die herrschende Meinung davon ausging, dass es einen Staatsbankrott sowieso nicht geben könne.

Und so funktioniert die Insolvenz: Kommt es zum Ernstfall, dass ein Euro-Land seine Kredite nicht mehr bedienen kann, werden sogenannte "Haircuts" vorgenommen. Das heißt, dass die Laufzeiten der Anleihen verlängert werden und der Nominalwert der Anleihen oder ihre Verzinsung herabgesetzt werden. Anders formuliert: Der Investor, der die Anleihe besitzt, bekommt weniger Geld, als ihm ursprünglich zustand, und er bekommt es erst zu einem späteren Zeitpunkt. Für den betroffenen Staat hat das den klaren Vorteil, dass die Finanzbelastung abnimmt und der Haushalt kurzfristig entlastet wird. Die Investoren müssten mit der Folge einer solchen Insolvenz, d.h. dem Teilverlust des eingesetzten Kapitals, leben. Da sie zuvor für die Inkaufnahme eben dieses Ausfallrisikos höhere Zinsen einbringen konnten, wäre die Einheit von Risiko und Haftung wieder hergestellt.

Allerdings werden dem Land durch die "Haircuts" nur Teile der Schulden erlassen. Auf diese Weise ist der Staat weiterhin vom Kapitalmarkt abhängig und hat ein hohes Interesse, seinen Haushalt so schnell wie möglich wieder in den Griff zu bekommen. Gelingt ihm das nicht, droht die Entmachtung: Die Verantwortung über den Staatshaushalt könnte auf eine unabhängige Institution oder Person übertragen werden, die ein Sanierungsprogramm aufstellt. Allein die Aussicht einer Entmachtung soll auf die Euro-Länder so stark disziplinierend wirken, dass sie ihre Haushalte in Zukunft weitsichtiger planen und der Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts mehr Gewicht schenken.

Ob sich die Idee einer Insolvenzordnung für Staaten durchsetzen wird, ist noch offen. Nur durch eine Veränderung der Europäischen Verträge könnte dieser Vorschlag, den auch die Bundesregierung unterstützt, umgesetzt werden. Dem Ansinnen müsste allerdings jedes Mitgliedsland zustimmen – auch diejenigen mit derzeit hochverschuldeten Haushalten. Auch ist festzuhalten, dass der IWF seit Jahren nach einem geordneten Insolvenzmechanismus sucht, ohne dass hier bisher ein Durchbruch erzielt worden wäre. Und sollte es tatsächlich einmal zu einer Insolvenz kommen, so birgt diese, geordnetes Verfahren hin oder her, eine hohe "Ansteckungsgefahr" für andere Länder.

Quelle: Konrad Adenauer Stiftung