ADF-Inkasso-Newsticker 03/2008


Anfechtung eines Vergleichs über Pflichtteilsansprüche
 
Die Tochter aus der ersten Ehe des Erblassers machte gegen dessen zweite Ehefrau und Alleinerbin ihren Pflichtteil geltend. Der Rechtsstreit um den Pflichtteilsanspruch wurde letztlich mit einem Abfindungsvergleich beendet, nach dem der Tochter ein Betrag von 200.000 Euro zustand. In dem Wortlaut des Vergleichs sollten "alle wechselseitigen Ansprüche" abgegolten sein. Vor Abschluss des Vergleichs war bekannt geworden, dass noch ein Sohn des Erblassers aus einer nicht ehelichen Beziehung vorhanden sei. Als dieser mit seinen seinerseits gegenüber der Erbin erhobenen Pflichtteilsansprüchen scheiterte, weil er die Abstammung von dem Erblasser nicht nachweisen konnte, verlangte die Tochter noch einen Aufschlag von 25.000 Euro.
 
Das Oberlandesgericht Koblenz wies die weitergehende Klage ab. Die Wirksamkeit des Vergleichs wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein vermeintlicher nicht ehelicher Abkömmling des Erblassers später mit seinem Pflichtteilsverlangen gegen die Alleinerbin scheitert. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - von Anfang an unsicher war, ob der Sohn des Erblassers seine Ansprüche überhaupt geltend macht und ob diese tatsächlich bestehen. Damit stellte das Scheitern des Pflichtteilsanspruchs keine völlig überraschende, und damit möglicherweise unannehmbare Bereicherung der Erbin zulasten der Tochter dar. Diese musste sich daher mit dem Vergleichsbetrag begnügen.
 
Quelle:  OLG Koblenz, AZ: 5 U 209/07


Aufklärungspflicht der Bank bei sittenwidriger Überteuerung des Finanzierungsobjektes
 
a) Grundsätzlich ist eine kreditgebende Bank unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs nur dann verpflichtet, den Kreditnehmer bei Kreditvergabe über die sittenwidrige Überteuerung der zu finanzierenden Eigentumswohnung aufzuklären, wenn sie positive Kenntnis davon hat, dass der Kaufpreis knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Wohnung.
 
b) Ausnahmsweise steht die bloße Erkennbarkeit der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich die sittenwidrige Überteuerung einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; er ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen davor zu verschließen.
Quelle: BGH, AZ: XI ZR 221/07


Einsatz einer Lebensversicherung bei Alg II
 
Ein 1956 geborener Mann war zunächst abhängig beschäftigt, dann aber seit 1984 etwa 20 Jahre selbstständig tätig. Im Dezember 2004 beantragte er Arbeitslosengeld II (Alg II). Als Einkommen hatte er eine private Rente in Höhe von 439 Euro. Als Vermögen verfügte er über eine 1986 abgeschlossene Lebensversicherung, die im Zeitpunkt der Beantragung von Alg II einen Rückkaufswert von 62.895 Euro auswies, der um ein dem Versicherungsnehmer ausgezahltes Darlehen in Höhe von 20.000 Euro zu reduzieren war. Die Arbeitsagentur verlangte von ihm die Verwertung der Lebensversicherung.
 
Ein Alg II-Empfänger ist auch dann zum Einsatz einer bestehenden Lebensversicherung verpflichtet, wenn er wegen seiner langjährigen Selbstständigkeit nur über eine unzureichende Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verfügt. Eine frühere Selbstständigkeit ist kein Härtegrund. Eine besondere Härte kann allenfalls dann vorliegen, wenn der Rückkaufswert so weit hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurückbleibt, dass eine Verwertung völlig unwirtschaftlich erscheint.
 
SG Detmold, AZ: S 8 AS 198/05


"Fauler" Kredit für Arbeitgeber
 
Gewährt ein Arbeitnehmer seinem akut von Insolvenz bedrohten Arbeitgeber ein Darlehen, um seinen Arbeitsplatz zu retten, und erhält er das Geld schließlich nicht mehr zurück, kann er den Verlust von der Steuer absetzen. Die für die Absetzbarkeit geforderte berufliche Veranlassung des Darlehens wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Darlehensvertrag mit dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer des Arbeitgebers, einer GmbH, statt mit der insolvenzbedrohten Gesellschaft selbst geschlossen worden und der Darlehensbetrag auf dessen Privatkonto geflossen ist.
 
BFH, AZ: VI R 75/ 06


Gerichtsvollzieher dürfen nicht nebenbei Makler sein
 
Ein Gerichtsvollzieher darf nach einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts nicht nebenbei als Makler tätig sein. Eine solche Nebentätigkeit beeinträchtige dienstliche Belange und sei daher nicht genehmigungsfähig, teilte das Gericht am Freitag mit. Damit wurde die Klage eines Obergerichtsvollziehers an einem Berliner Amtsgericht abgewiesen, der eine Genehmigung für wöchentlich drei Stunden durchsetzen wollte. Sein zusätzlicher Monatsverdienst sollte laut Gericht bei rund 200 Euro liegen.
 
VG Berlin, AZ:  5 A 147/06


Insolvenzverwalter kann Ratenzahlung des insolventen Bankkunden anfechten
 
Schließt eine Bank mit einem zahlungsunfähigen Kreditnehmer nach Kündigung aller Kredite im Rahmen eines Stillhalteabkommens eine Ratenzahlungsvereinbarung, kann der nach der Insolvenzanmeldung eingesetzte Insolvenzverwalter die an das Geldinstitut gezahlten Raten im Wege der Anfechtung gemäß § 133 InsO herausverlangen, wenn dieses Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit seines Kunden und dessen Gläubigerbenachteiligungsabsicht hatte. Hiervon ist auszugehen, wenn die Bank weiß, dass der Kunde weitere Gläubiger hat, die bereits erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die vereinbarten Raten auch nur unregelmäßig gezahlt wurden.
 
BGH, AZ: IX ZR 93/06


Kein Reisepass für Steuerschuldner
 
Einem Bürger darf die Erteilung des beantragten Reisepasses verweigert werden, wenn er erhebliche Schulden beim deutschen Fiskus hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Steuerschuldner Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid eingelegt hat, über das noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Ausreichend für die Verweigerung des Reisedokuments ist vielmehr, dass der Steuerbescheid "nicht offensichtlich rechtswidrig" ist.
 
Quelle: OVG Berlin-Brandenburg, AZ: 5 S 56/07


Keine Rechtsberatung durch Finanzberater
 
Nach dem Rechtsberatungsgesetz gehört die Vorbereitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu den erlaubnispflichtigen Rechtsbesorgungen. Führt ein Finanzberater ohne entsprechende Erlaubnis für eine verschuldete Person eine derartige Tätigkeit entgeltlich aus, kann der Aufraggeber das gezahlte Honorar von ihm zurückverlangen.
 
Quelle: LG Coburg, AZ: 33 S 74/07


Klage am auswärtigen Gerichtsort - Kostenerstattung      
 
Übt der Kläger das ihm zustehende Recht zur Wahl unter mehreren zuständigen Gerichten gem. § 35 ZPO - vorliegend in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG- dahin aus, dass er nicht im eigenen Gerichtsstand klagt, sondern bei einem auswärtigen Gericht an einem dritten Ort, der auch nicht dem Gerichtsstand des Beklagten entspricht, dann sind die Reisekosten nach Nr. 7003 und 7005 RVG-VV seines an seinem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Prozessbevollmächtigten anlässlich der Terminswahrnehmung an dem auswärtigen Gerichtsort nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und deshalb nicht erstattungsfähig gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO, weil der Kläger bei der Gerichtswahl seiner Pflicht zur kostengünstigsten Prozessführung nicht nachgekommen ist.
 
OLG Stuttgart, AZ: 8 W 255/08


Mitteilung des Finanzamts über Steuerhinterziehung durch einen Beamten
 
Das Finanzamt darf den Dienstvorgesetzten eines Beamten über eine von diesem durch Nichtangabe von Nebenverdiensten begangene Steuerhinterziehung informieren. Der Bundesfinanzhof sieht darin keine Verletzung des Steuergeheimnisses. Der Zulässigkeit der Mitteilung steht auch nicht entgegen, dass das Steuerstrafverfahren gegen den Staatsdiener mittlerweile wegen teilweiser Verjährung und Selbstanzeige sowie Nachzahlung der hinterzogenen Steuern eingestellt wurde. Dem Beamten droht nun noch ein Disziplinarverfahren.
 
Quelle: BFH, AZ: VII B 149/07


Pflichtteilsergänzungsanspruch nach Hausübertragung mit Wohnrechtsvorbehalt
 
Insbesondere aus steuerlichen Gründen übertragen manche Eltern ihren Kindern bereits zu Lebzeiten das von ihnen bewohnte Einfamilienhaus und behalten sich dabei ein lebenslanges Wohnrecht vor. Nach dem Tod eines Elternteils kann sich die Frage stellen, ob ein nicht als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB geltend machen kann. Nach dieser Vorschrift kann ein Pflichtteilsberechtigter (u.a. Kinder, Ehegatte) verlangen, dass eine zu Lebzeiten des Erblassers gemachte Schenkung wertmäßig dem Erbe hinzugerechnet und damit der Pflichtteilsanspruch entsprechend erhöht wird. Der Anspruch besteht nicht mehr, wenn zwischen Schenkung und Erbfall mindestens 10 Jahre vergangen sind.
 
Hat der Erblasser sein Hausanwesen einem Dritten unentgeltlich zugewandt und sich lediglich ein Wohnrecht an einer der im Haus befindlichen Wohnungen einräumen lassen, so ist die Schenkung mit dem Eigentumsübergang vollzogen. Die für den Pflichtteilsergänzungsanspruch maßgebliche Zehnjahresfrist beginnt demnach bereits mit der Hausübertragung zu laufen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe weicht damit von der Rechtsauffassung einiger anderer Gerichte ab, wonach Schenkungen unter Wohnrechtsvorbehalt unabhängig vom Zeitpunkt stets ergänzungspflichtig sind.
 
OLG Karlsruhe, AZ: 12 U 124/07


Teilweise Pfändbarkeit einer Sterbegeldversicherung
 
Nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind Ansprüche aus auf den Todesfall des Versicherten abgeschlossenen Lebensversicherungen (Sterbegeldversicherungen) unpfändbar, wenn die Versicherungssumme 3.579 Euro nicht übersteigt. Unter Juristen ist umstritten, ob bei Überschreitung dieser Versicherungssumme die Ansprüche aus der Versicherung insgesamt unpfändbar sind oder nur die sich aus dem überschießenden Betrag ergebenden Forderungen.
 
Der Bundesgerichtshof entschied die Streitfrage nun dahingehend, dass durch die gesetzliche Regelung lediglich ein Sockelbetrag von 3.579 Euro geschützt werden soll. Die darüber hinausgehende Versicherungssumme unterliegt daher uneingeschränkt dem Zugriff der Gläubiger des Versicherten.
 
BGH, AZ: VII ZB 47/07


Verjährungsbeginn erst bei Kenntnis der Person des Verantwortlichen
 
Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen eines durch die Teilnahme an einem so genannten Schneeballsystem geschädigten Geldanlegers beginnt nicht bereits mit dem Zeitpunkt, in dem sich der Anleger um die Rückzahlung einer Geldanlage bemüht und er vermutet hat, dass das Geld nicht in der vereinbarten Anlageform verwendet worden ist. Der Beginn der Verjährung setzt vielmehr auch die Kenntnis von Namen und Anschrift des Schadensersatzpflichtigen voraus.
 
BGH, AZ: VI ZR 182/06


Vollstreckungsschutz bei Pfändung in das gemeinsame Girokonto von Eheleuten
 
Nach dem Gesetz sind bestimmte Einkünfte eines Schuldners vor einer Kontopfändung des Gläubigers geschützt (Arbeitseinkommen bis zur Pfändungsfreigrenze, Erziehungsgeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsrenten etc.). Pfändet der Gläubiger den einer Mitschuldnerin und Ehefrau zustehenden Auszahlungsanspruch aus einem Girokontovertrag, können die Eheleute die Vollstreckung abwenden, soweit das Guthaben auf dem Girokonto aus der Überweisung von unpfändbarem Arbeitseinkommen des Ehemannes herrührt.
 
BGH, AZ: VII ZB 32/07