ADF-NewsTicker 02/2010


Beweisführung nur mit Originalurkunden

Macht ein Darlehensgeber seinen Rückzahlungsanspruch im Klageweg geltend, genügt es nicht, wenn der Schuldner zum Nachweis der angeblichen Rückzahlung Kopien von Quittungen vorlegt. Vor Gericht sind nur Originalurkunden beweiskräftig. Die Vorlage einer Kopie ist nur ausnahmsweise ausreichend, wenn der Prozessgegner die Echtheit der Urkunde und die Übereinstimmung von Abschrift und Original nicht bestreitet. Das war hier nicht der Fall. Vielmehr behauptete der klagende Darlehensgeber die Fälschung der vom Darlehensnehmer vorgelegten Beweise. Dieser wurde letztlich zur Zahlung verurteilt.

Quelle: OLG Schleswig, AZ.: 3 U 85/08


Geschäftsführerhaftung für nicht abgeführte Lohnsteuer

Der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet, bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums für die Anmeldung und Abführung der von der KG einzubehaltenden Lohnsteuern und Nebenabgaben zu sorgen. Anderenfalls trifft ihn hinsichtlich der Zahlungsrückstände die persönliche Haftung.

Im Falle der Insolvenzanmeldung haftet der Geschäftsführer jedoch nicht für die durch den Insolvenzverwalter veranlasste Rücklastschrift der Steuerbeträge, weil dieser zuvor sämtliche vom Geschäftsführer erteilten Einzugsermächtigungen widerrufen hatte. Zwar ist der Geschäftsführer trotz Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters weiterhin für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH verantwortlich. In einem derartigen Fall fehlt es nach Auffassung des Finanzgerichts Münster für eine Haftung jedoch sowohl an einem durch eine Pflichtverletzung kausal verursachten Haftungsschaden als auch an einem grob fahrlässigen Verhalten des Geschäftsführers.

Quelle: Finanzgericht Münster, AZ.: 10 K 1549/0


Kautionsanlage nach Vermieterinsolvenz

Der Vermieter ist verpflichtet, die vom Mieter geleistete Kaution getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut anzulegen. Unterlässt er dies und muss er Insolvenz anmelden, ist der Zwangsverwalter verpflichtet, die Anlage der Kaution nachzuholen und dies auf Verlangen dem Mieter nachzuweisen. Bis zur ordnungsgemäßen Anlage des Geldes kann der Mieter in dieser Höhe seine Mietzahlung zurückhalten.

Quelle: BGH, AZ.: VIII ZR 336/08


Insolvenzverwalter kann Parteispende zurückfordern

Nach einer Regelung in der Insolvenzordnung kann der Insolvenzverwalter Geschenke des zahlungsunfähigen Unternehmens bis zu einem Zeitraum von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung zurückfordern. Das Recht steht ihm auch zu, wenn das Pleiteunternehmen innerhalb dieses Zeitraums einer politischen Partei einen vierstelligen Betrag gespendet hat. Ob die Partei das Geld noch hat, ist unerheblich. Sie muss den erhaltenen Betrag der Insolvenzmasse zur Verfügung stellen.


Quelle: OLG Celle, AZ.: 13 U 18/08


Keine Zwangsmaßnahmen gegenüber Unbeteiligten im Insolvenzverfahren

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kann das Insolvenzgericht anordnen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter berechtigt ist, die Geschäftsräume des zahlungsunfähigen Unternehmens (Schuldner) zu betreten, diese zu durchsuchen und Bücher, Geschäftspapiere und ähnliche Unterlagen, die für die Aufklärung der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin von Bedeutung sein können, in Besitz zu nehmen.

Gegenüber unbeteiligten Dritten sind derlei Beschlüsse jedoch unzulässig. Die Insolvenzordnung (InsO) sieht auch für die Fälle, dass diese Personen möglicherweise mit dem Geschäftsführer des Schuldners kollusiv zum Schaden Dritter zusammengearbeitet und wichtige betriebliche Daten in Besitz haben, keine Zwangsmaßnahmen vor. Gegen diese Beteiligten kann nur im Rahmen eines Strafverfahrens entsprechend vorgegangen werden.

Quelle: BGH, AZ.: IX ZB 38/08


Keine Zwangsvollstreckung aus grob sittenwidrig zustande gekommenem Titel

Ist gegen einen Titel (Vollstreckungsbescheid, Urteil) kein Rechtsmittel mehr möglich, kann der Gläubiger das verbriefte Recht in Anspruch nehmen und zwar unabhängig davon, ob es ihm tatsächlich zusteht. Die Rechtskraft einer Entscheidung muss jedoch ausnahmsweise dann zurücktreten, wenn sie sittenwidrig herbeigeführt wurde. Diese Ausnahmefälle sind jedoch im Sinne der Rechtssicherheit auf eklatante Fälle zu beschränken.

Einen solchen Fall nahm das Brandenburgische Oberlandesgericht bei einer Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts mit einem Mandanten an. Der Jurist hatte sich für die Vertretung in einem Verbraucherinsolvenzverfahren ausgehend von 100 Arbeitsstunden ein Pauschalhonorar von 15.000 DM (Vereinbarung wurde vor der Euro-Einführung abgeschlossen) zzgl. Mehrwertsteuer versprechen lassen. Die Vergütung sollte auch dann in voller Höhe zu zahlen sein, wenn die angenommene Stundenzahl nicht erreicht wird. Zudem verzichtete der Mandant für den Fall des gerichtlichen Mahnverfahrens auf die Einlegung von Rechtsmitteln. Das Gericht sah angesichts des unangemessen hohen Honorars und der krassen Überforderung des mittellosen Mandanten einen derart eklatanten Fall der Sittenwidrigkeit, dass es die Zwangsvollstreckung aus dem von dem Anwalt erwirkten Zahlungstitel für unzulässig erklärte.

Quelle: OLG Brandenburg, AZ.: 12 W 29/09


Privatinsolvenz: Erben haben Recht auf Restschuldbefreiung

Nach Ablauf der sogenannten Wohlverhaltenszeit kann der Schuldner die mit der Privatinsolvenz angestrebte Restschuldbefreiung beantragen. Dieses Recht steht auch den Erben des Schuldners zu, wenn dieser nach Ende der Wohlverhaltenszeit, aber vor der Entscheidung des Insolvenzgerichts stirbt. Der Tod des Schuldners nach Ablauf der Wohlverhaltenszeit begründet kein Verfahrenshindernis für die noch nicht beschlossene Erteilung der Restschuldbefreiung.

Quelle: AG Duisburg, AZ.: 62 IK 59/00


Privatinsolvenz: ungenügende Einkünfte eines Selbstständigen

Der Gläubiger eines in Privatinsolvenz befindlichen, selbstständig tätigen Bauingenieurs stellte einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung, da der Ingenieur von seinen Einkünften erheblich weniger an den Treuhänder abgeführt hatte, als ursprünglich vereinbart. Der Ingenieur berief sich auf einen nachweisbaren Rückgang seiner Einnahmen.

Der Bundesgerichtshof sah nach dem Stand der Dinge noch keinen Anlass, die Restschuldbefreiung im Rahmen des auf Eigenantrag eröffneten Insolvenzverfahrens zu versagen. Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbstständigen Tätigkeit nicht genügend Einnahmen erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als gehe er einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit nach, braucht er seine selbstständige Tätigkeit nicht sofort aufzugeben. Um den Vorwurf der Gläubigerbenachteiligung zu entkräften, muss er sich dann aber nachweisbar um eine angemessene abhängige Beschäftigung bemühen und - sobald sich ihm eine entsprechende Gelegenheit bietet - diese auch wahrnehmen.

Quelle: BGH, AZ.: IX ZB 133/07


Sittenwidrige Mithaftung für Darlehen des Freundes

Ein Mann überredete seine Freundin, zusammen mit ihm ein Darlehen zur Finanzierung einer Eigentumswohnung aufzunehmen. Das Gehalt der Freundin sollte als zusätzliche Sicherheit dienen. Von dem Geld kaufte der Mann als Alleineigentümer die Wohnung. Nach der Trennung verweigerte die Frau jegliche Mithaftung aus dem Darlehensvertrag.

Der Bundesgerichtshof verneinte eine Einstandspflicht der Ex-Freundin. Zum einen hatte sie - für die kreditgebende Bank ersichtlich - keinerlei Nutzen aus dem Darlehen gehabt. Zum anderen reichte ihr Einkommen nicht annähernd zur Rückführung der Schulden aus. Die Bank hätte auch insoweit erkennen müssen, dass die Frau die Unterschrift nur aus "emotionaler Verbundenheit" zum Kreditnehmer geleistet hat. Ein derartiger Vertrag ist sittenwidrig und damit nichtig.

Quelle: BGH, AZ.: XI ZR 539/07


Sparkassen dürfen Darlehensforderungen abtreten

Ein Sparkassenkunde wehrte sich gegen die Abtretung der gegen ihn bestehenden Darlehensforderung an ein Inkassounternehmen. Derartige Abtretungen werden insbesondere bei "notleidenden" Darlehen und Krediten zunehmend auch von Sparkassen vorgenommen.

Wie bereits in einem früheren Urteil, bei dem es um die Forderungsabtretung durch eine Bank ging (XI ZR 195/05), spielten für den Bundesgerichtshof etwaige mit der Abtretung einhergehende Rechtsverstöße für die Wirksamkeit der Forderungsabtretung keine Rolle, weil sich weder aus dem Bankgeheimnis die zumindest stillschweigende Vereinbarung eines Abtretungsverbots noch aus dem Bundesdatenschutzgesetz oder aus sonstigen Bestimmungen ein gesetzliches Abtretungsverbot herleiten lassen. Der Darlehensschuldner muss sich daher künftig mit dem "neuen" Darlehensgläubiger auseinandersetzen.  

Quelle: BGH, AZ.: XI ZR 225/08


Teilkündigung eines Kredits

Haben sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder die Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit während der Laufzeit des Kredits wesentlich verschlechtert, ist die Bank berechtigt, einen Teil des Darlehens zu kündigen und fällig zu stellen. Löst der Darlehensnehmer nach der Teilkündigung des Darlehens - etwa durch Umschuldung - auch den nicht gekündigten Teil des Darlehens ab, ist die Bank insoweit zur Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung berechtigt.


Quelle: OLG Celle, AZ.: 3 U 37/09


Verjährung von Steuerstraftaten

Steuerstraftaten verjähren in zehn Jahren. Die Verjährungsfrist wird jedoch unterbrochen, sobald die zuständige Behörde Ermittlungen gegen den Steuerhinterzieher einleitet. Dabei kann es sich lohnen, genau festzustellen, wer die Ermittlungen geführt hat.

Der Bundesgerichtshof hat nämlich zur Frage der Verjährung entschieden, dass Ermittlungen der Strafsachen- und Bußgeldstelle des Finanzamts keine Ermittlungen der mit "der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden" darstellen und daher nicht zur Ablaufhemmung der Verjährung führen. Diese tritt erst ein, wenn die Steuerfahndung selbst tätig wird. In dem entschiedenen Fall führte diese Unterscheidung zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung gegen einen Geschäftsführer, der eine Provision von 500.000 Euro nicht versteuert hatte.

Quelle: BFH, AZ.: VIII R 5/07


Verjährungshemmung durch Aufrechnung

Die Verjährung einer Forderung kann u.a. durch Aufrechnung in einem Zivilprozess gehemmt werden (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Dies gilt jedoch nur für den Teil der Forderung, der den vom Prozessgegner geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht übersteigt. Der darüber hinausgehende Betrag wird - so der Bundesgerichtshof - durch die Aufrechnungserklärung in seiner Verjährung nicht gehemmt.

Beispiel: Eingeklagt sind 1.000 Euro. Der Beklagte erklärt mit einem Gegenanspruch von 1.200 Euro die Aufrechnung. Nach diesem Urteil wird die Verjährung des Gegenanspruchs nur in Höhe von 1.000 Euro gehemmt. Hinsichtlich des Rests muss der Forderungsinhaber die Verjährungshemmung auf andere Weise (z.B. durch Beantragung eines Mahnbescheids) herbeiführen.

Quelle: BGH, AZ.: V ZR 208/07


Verzicht auf Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs bei Privatinsolvenz

Ein Schuldner, gegen den das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde und der sich in der "Wohlverhaltensphase" zur Restschuldbefreiung befindet, ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet, einen während dieser Zeit durch den Tod eines nahen Angehörigen entstandenen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Dies wird damit begründet, dass die (Nicht-)Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs ebenso wie die Annahme bzw. Ausschlagung einer Erbschaft ein höchstpersönliches Recht des Berechtigten darstellt. Ein Gläubiger hat daher im Rahmen des Insolvenzverfahrens keine rechtliche Handhabe, die Restschuldbefreiung des Schuldners wegen Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu vereiteln.

Quelle: BGH, AZ.: IX ZB 196/08