ADF-NewsTicker 03/2010


Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Insolvenz

Ein GmbH-Geschäftsführer muss durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ordnungsgemäß erfolgt. Ansonsten kann er im Falle der Insolvenz des Unternehmens persönlich haftbar gemacht werden. Andererseits ist der Geschäftsführer nach § 64 GmbHG im Fall der Insolvenz der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die er nach Insolvenzreife geleistet hat, soweit diese Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind.

Der Bundesgerichtshof vertritt eine differenzierende Auffassung, wie sich der Geschäftsführer in diesem Spannungsfeld zu verhalten hat. Bei der Beurteilung, inwieweit die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar ist, muss zwischen den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteilen unterschieden werden. Hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge dürfen die Sozialversicherungsträger nicht den anderen Gläubigern vorgezogen werden, sodass Zahlungen der Arbeitgeberbeiträge nach Insolvenzreife grundsätzlich sorgfaltswidrig sind und zu einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer führen. Nicht zu beanstanden ist jedoch, wenn der Geschäftsführer seiner Verpflichtung zur Abführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung nachkommt.

Quelle: BGH, AZ.: II ZA 4/09


BGH erschwert Zwangsvollstreckung aus abgetretenen Krediten

Die Forderungsabtretung einer Bank oder Sparkasse gegenüber einem Darlehensnehmer an ein Inkassounternehmen verstößt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder gegen das Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz. Die Kreditinstitute entledigen sich auf diesem Weg ihrer "faulen Kredite". Die Übernehmer, die die Forderungen meist mit großen Abschlägen erwerben, können dann die zwangsweise Beitreibung ohne Rücksicht auf bestehende Geschäftsbeziehungen zu dem Bankkunden betreiben. Dieses oft rücksichtslose Vorgehen der Kreditaufkäufer erfordert - so der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung - einen besonderen Schutz der Darlehensschuldner.

Bislang konnten Kreditaufkäufer die Zwangsvollstreckung allein aufgrund der in den Kreditverträgen üblicherweise vereinbarten Unterwerfungserklärung des Kreditnehmers betreiben. Jetzt hat der zuständige Rechtspfleger bzw. Notar, der die im Rahmen der Zwangsvollstreckung durch den neuen Gläubiger notwendige Titelumschreibung vornimmt, zu prüfen, ob der neue Grundschuldinhaber den Eintritt in den Sicherungsvertrag nach den Maßgaben der Zivilprozessordnung (ZPO) nachgewiesen hat. Diese Prüfung ist in dem 2008 erlassenen Risikobegrenzungsgesetz vorgesehen. Nach dem vorliegenden Urteil gilt diese Prüfungspflicht nun auch für vor dem Jahr 2008 abgeschlossene Darlehens- und Kreditverträge.

Quelle: BGH, AZ.: XI ZR 200/09


Eingeschränkte Geschäftsführerhaftung bei Überweisung nach Insolvenzreife

GmbH-Geschäftsführer müssen unverzüglich (spätestens jedoch 3 Wochen) nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH einen Insolvenzantrag stellen. Zahlungen, die der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet hat, muss er dem Insolvenzverwalter grundsätzlich zurückerstatten (§ 64 Satz 1 GmbHG). Neben den von diesem Grundsatz anerkannten Ausnahmen (z.B. Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und Lohnsteuer) lässt der Bundesgerichtshof nun einen weiteren Ausnahmetatbestand zu.

Den Geschäftsführer trifft für eine nach Insolvenzreife veranlasste Zahlung auch dann keine persönliche Haftung, wenn sie über ein debitorisches Bankkonto der Gesellschaft erfolgt ist und die Bank für den sich dadurch ausweitenden Negativsaldo über keine Sicherheiten zulasten der Gesellschaft verfügt. Dann nämlich - so die Begründung - erfolgte die Überweisung wirtschaftlich gesehen letztendlich zulasten der Bank.

Quelle: BGH, AZ.: II ZR 258/08


Haftung für fremde Steuerschulden bei Nutzungsüberlassung eines Kontos

Wer einem Steuerschuldner ein Konto zur Nutzung überlässt, damit er betriebliche Forderungen einziehen und somit das Guthaben dem Zugriff der Finanzbehörde entziehen kann, haftet insoweit persönlich für die Steuerschulden. In dem vom Finanzgericht Münster entschiedenen Fall hatte eine Ehefrau ein Konto eröffnet, für das der völlig überschuldete Ehemann Vollmacht besaß und über das er Honorarzahlungen für seine freiberufliche Tätigkeit einzog.

Dadurch sollte dem Fiskus, der Steuerrückstände wegen diverser Vermögensübertragungen und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr vollstrecken konnte, jeglicher Zugriff auf Zahlungseingänge unmöglich gemacht werden. Nach dieser Entscheidung haftet auch die Ehefrau für die verursachten Steuerausfälle.

Quelle: FG Münster, AZ.: 6 K 4276/06 AO


Kein Erlöschen des Handelsvertretervertrags bei Insolvenz

Ein Handelsvertretervertrag erlischt nicht automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Handelsvertreters. Dem Insolvenzverwalter steht im Rahmen seines Wahlrechts nach § 103 InsO (Insolvenzordnung) auch kein Recht zur einseitigen Kündigung des Handelsvertretervertrags zu.

Dem Insolvenzverwalter steht es allerdings frei, mit dem Handelsvertreter zur Weiterführung des Vertreterverhältnisses einen neuen Handelsvertretervertrag zu geänderten Bedingungen abzuschließen.

Quelle: OLG Düsseldorf, AZ.: I-16 U 160/09


Keine Vollstreckung eines österreichischen "Straferkenntnisses"

Das Fahrzeug eines in Hamburg wohnhaften Deutschen wurde mehrmals in einer gebührenpflichtigen Parkzone in Wien abgestellt. Da sich der Halter gegenüber den österreichischen Behörden weigerte, Auskunft über die Person zu geben, der er sein Fahrzeug überlassen hatte, erließ die zuständige Behörde gegen ihn ein "Straferkenntnis" (vergleichbar mit einem deutschen Bußgeldbescheid) über rund 350 Euro. Weil der Mann nicht zahlte, ersuchte der Magistrat der Stadt Wien die Finanzbehörde Hamburg, im Wege der Amts- und Rechtshilfe die Geldbuße gegenüber dem Fahrzeughalter zu vollstrecken. Die Behörde verweigerte die Vollstreckung.

Das daraufhin angerufene Hamburger Finanzgericht bestätigte, dass das "Straferkenntnis" gegen wesentliche Rechtsgrundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verstößt und daher hier nicht vollstreckt werden darf. Hierzulande ist niemand verpflichtet, Auskunft über Namen und Anschrift der Personen zu geben, denen er sein Kraftfahrzeug zu bestimmten Zeiten überlassen hat. Die Verhängung einer Geldstrafe würde in Deutschland daher gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung und gegen das Schweigerecht des Angeklagten verstoßen. Das Finanzgericht hat die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zugelassen.
 

Quelle: FG Hamburg, AZ.: 1 V 289/09 DAR 2010, 281


Leistung nach Kenntniserlangung der Insolvenz

Eine Versicherung schickte ihrem Versicherungsnehmer am 2.2.2005 zur Regulierung eines Schadensfalles einen Scheck über 2.853 Euro zu. Am 3.3.2005 wurde die Versicherung informiert, dass über das Vermögen des Versicherten, dem nunmehrigen Schuldner, das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dieser löste den Scheck am 8.3.2005 ein. Der Insolvenzverwalter verlangte daraufhin eine nochmalige Zahlung der Versicherungssumme.

Nach § 82 InsO (Insolvenzordnung) ist eine befreiende Leistung an den Insolvenzschuldner nur dann möglich, wenn der Zahlende zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Im vorliegenden Fall hätte die Versicherung nach Kenntnisnahme von der Insolvenzeröffnung den zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingelösten Scheck sperren lassen können. Die spätere Einlösung des Schecks durch den Insolvenzschuldner stellte daher keine befreiende Leistung dar. Der Insolvenzverwalter konnte somit die nochmalige Zahlung verlangen. Für Geschäftspartner insolvenzbedrohter Unternehmen hat sich nach dieser Entscheidung das Risiko von Doppelleistungen erheblich erhöht.
 

Quelle: BGH, AZ.: IX ZR 118/08


Lohnpfändung umfasst auch Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers

Eine Bank ließ das Arbeitseinkommen eines verschuldeten Arbeitnehmers pfänden. In der Folgezeit überwies der Arbeitgeber den pfändbaren Teil des Einkommens, monatlich 119 Euro, an die Bank. Kurz nach dem Pfändungsbeschluss sprach das Arbeitsgericht demselben Arbeitnehmer aus einem älteren Vorgang einen Schadensersatzanspruch von 12.000 Euro gegen seinen Arbeitgeber wegen Verletzung von Pflichten aus dem Nachweisgesetz zu. Der Betrieb zahlte den Betrag an den Mitarbeiter aus. Die Bank hielt dies angesichts der Lohnpfändung für unzulässig und nahm die Schadensersatzforderung für sich in Anspruch.

Das Bundesarbeitsgericht entschied den Fall zugunsten der Bank. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss umfasste auch den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber. Der hätte das Geld nicht an seinen Mitarbeiter auszahlen dürfen. Er muss daher nochmals an das Geldinstitut leisten. Die Bank hätte zwar auch einen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer, der aber wegen dessen Überschuldung ebenso wie der entsprechende Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers wohl kaum realisierbar sein dürfte.
 

Quelle: BAG, AZ.: 10 AZR 834/08


Private Limited Company (Ltd.) - Haftung des Geschäftsführers

Nach BGH richtet sich die Haftung des Geschäftsführers für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einer in England gegründeten Ltd. Mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland nach dem am Ort ihrer Gründung geltenden Recht.

Auch wenn trotz des Verwaltungssitzes in Deutschland keine Eintragung in ein deutsches Handelsregister erfolgt sei, stehe der persönlichen Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG die Niederlassungsfreiheit (Art.43, 48 EG) entgegen.

Quelle: BGH, AZ.: II ZR 5/03


Rückforderungsanspruch bei Doppelzahlung

Zahlt ein Schuldner einen Betrag auf ein Konto des Gläubigers versehentlich zweimal ein, kann er den zu viel gezahlten Betrag auch dann nicht von der kontoführenden Bank zurückfordern, wenn diese die zweite Zahlung (Baukostenzuschuss für ein von ihr finanziertes Bauvorhaben) gefordert hat. Der Überweisende muss sich daher an den Kontoinhaber halten, der wirtschaftlich gesehen den Baukostenvorschuss doppelt erhalten hat.

Quelle: OLG Frankfurt, AZ.: 9 U 20/08


Unzulässige Klausel über Gebühren für die Bearbeitung einer Kontoüberziehung

Die Inanspruchnahme des Kunden durch eine Bank oder Sparkasse auf Zahlung eines Entgelts für die Bearbeitung einer Kontoüberziehung, die das Kreditinstitut im unmittelbar eigenen Interesse ausführt, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar und benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Somit dürfen Banken und Sparkassen keine zusätzlichen Gebühren verlangen, wenn sie Schecks oder Lastschriften wegen einer bestehenden Kontoüberziehung nicht einlösen können.

Quelle: OLG Hamm, AZ.: 31 U 55/09


Vertragliche Vollstreckungsunterwerfung rechtmäßig

Ein Bankkunde hatte zur Sicherung einer Darlehensschuld zugunsten seiner Bank eine Sicherungsbuchgrundschuld an seinem Grundstück bestellt und sich in der Bestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen. Als die Bank wegen des Zahlungsrückstandes die Zwangsvollstreckung einleitete, berief sich der Darlehensnehmer auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungsklausel.

Derartige Unterwerfungserklärungen ermöglichen es der kreditgebenden Bank, bei Zahlungsverzug in das gesamte Vermögen zu vollstrecken, ohne zuvor einen Gerichtsprozess führen zu müssen. Der Bundesgerichtshof hat diese Bankenpraxis nun gebilligt. Die Bundesrichter sahen darin keine unangemessene Benachteiligung des Kunden, wobei davon auszugehen ist, dass dieser bei Vertragsschluss vom Notar über die Reichweite der vertraglichen Regelung belehrt wurde. Eine weitergehende Aufklärungs- und Prüfungspflicht verneinten die Karlsruher Richter. Soweit die notarielle Vereinbarung keine formellen Fehler aufweist, kann sich der Bankkunde daher nicht gegen die Vollstreckung wehren.
 

Quelle: BGH, AZ.: VII ZB 62/08


Zahlungsunfähige Ltd. - Haftung des Geschäftsführers

Wird eine in England gegründete Ltd., die ihre Betriebsstätte in Deutschland hat, ohne in ein deutsches Handelsregister eingetragen zu sein, zahlungsunfähig, so haftet der Geschäftsführer für ihre im Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit entstandenen rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten, wenn er seine nach § 64 Abs. 1 GmbHG erforderliche Insolvenzantragspflicht verletzt.

Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG sei nicht als gesellschaftsrechtliche Vorschrift anzusehen, sondern sie sei dem Insolvenzrecht zuzurechnen. Die Anwendung deutschen Insolvenzrechts berühre die Niederlassungsfreiheit nicht.

Quelle: LG Kiel, AZ.: 10 S 44/05