BGH: Originalvollmacht bei Einzug einer Inkassoforderung nicht erforderlich

Ein Inkassounternehmen muss keine Originalvollmacht vorlegen, um einen geforderten Betrag einzuziehen. Dies gilt auch gegenüber dem Gerichtsvollzieher, wenn der Betrag z.B. bereits vom Gerichtsvollzieher eingezogen wurde und nun auf das Konto des Inkassounternehmens eingezahlt werden soll.

753a Satz 1 ZPO verlangt nicht die Vorlage der ursprünglichen Empfangsvollmacht. Er verlangt lediglich, dass der Rechtsdienstleister - in der Regel ein im Rechtsdienstleistungsregister eingetragenes Inkassounternehmen - dafür sorgt, dass die Vollmacht vorgelegt wird. Dies geht aus einem Verfahren vor dem Amtsgericht Delbrück und dem Landgericht Paderborn hervor, das auf einer Entscheidung des BGH beruht (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2023, Az: VII ZB 35/21 | Amtsgericht Delbrück, Landgericht Paderborn).

Der vorliegende Fall

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Paderborn einen Gerichtsvollzieher letztinstanzlich verurteilt, sich nicht länger zu weigern, eine von einem Schuldner an ihn gezahlte Forderung an das Inkassounternehmen C. KG herauszugeben. Der Inkassodienstleister war von einem Gläubiger beauftragt worden, eine Forderung in Höhe von 74,32 € zuzüglich Kosten und Zinsen einzutreiben. Nach erfolglosen Bemühungen leitete die Inkassofirma C. KG ein Vollstreckungsverfahren ein. Es folgte ein Vollstreckungsbescheid des zuständigen Amtsgerichts. Die C. KG übermittelte einen vereinfachten Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher des zuständigen Amtsgerichts, der den Betrag bei der Schuldnerin einzog. Der Vollstreckungsauftrag entsprach den Vorschriften des § 754a ZPO. In dem Formular bestätigte das Inkassounternehmen, dass es gemäß dem Auftrag des Gläubigers ordnungsgemäß bevollmächtigt war. Nachdem der Forderungsbetrag auf dem Dienstleistungskonto des Gerichtsvollziehers eingegangen war, verweigerte dieser in der Folge die Auszahlung an die C. KG mit der Begründung, dass der Inkassodienstleister hierfür eine Empfangsvollmacht vorlegen müsse, wobei der Gerichtsvollzieher das Original verlangte. Der Gläubiger hingegen war der Ansicht, dass die Versicherung der C. KG, die Vollmacht zu besitzen, für den Geldeingang nach § 754a Satz 1 ZPO ausreichend sei. Ein Nachweis in Form einer Urkunde sei nicht zwingend erforderlich.

Voraugehende Verhandlung des Falles vor den zuständigen Gerichten

Der Fall landete vor dem Amtsgericht Delbrück, das für die Vollstreckung zuständig war. Das Gericht wies zunächst die Zahlungserinnerung der Gläubigerin an den Gerichtsvollzieher zurück. Die Gläubigerin legte daraufhin sofort Berufung ein, die jedoch erfolglos blieb. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Rechtsbeschwerde zu, mit der die Gläubigerin die betreffende Forderung weiterverfolgte. Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 und § 575 ZPO war zulässig und führte zur Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts Delbrück durch das Landgericht Paderborn. Dementsprechend wies das Landgericht Paderborn den Gerichtsvollzieher an, die Verweigerung der Auszahlung des Betrages an den beauftragten Inkassodienstleister nicht mehr mit der bisherigen Begründung zu unterlassen.

Die Begründungen der zuständigen Gerichte

Das Amtsgericht Delbrück hatte argumentiert, dass 753a Satz 1 ZPO lediglich sicherstellen solle, dass ein Inkassodienstleister ordnungsgemäß zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen bevollmächtigt sei, wofür er keine Vollmacht vorlegen müsse. 753a Satz 1 ZPO erfasse jedoch nicht die Befugnis, gleichzeitig Geld in Empfang zu nehmen. Hierfür muss eine Originalurkunde vorgelegt werden. Da es sich bei einem Inkassodienstleistern nicht um ein Rechtspflegeorgan handelt, kann er nicht erwarten, dass er besser gestellt ist als beispielsweise Rechtsanwälte, die nach wie vor eine Geldempfangsvollmacht im Original vorlegen müssen. Auch die Erfüllungswirkung nach Zahlung des Betrages an den Inkassodienstleister muss berücksichtigt werden. Damit ist das Verfahren beendet, weshalb für dieses Verfahren, das eine Originalurkunde für die Geldeingangsermächtigung erfordert, eine ausreichende Rechtssicherheit erforderlich ist. Das Landgericht Paderborn als Berufungsinstanz hat das Gegenteil behauptet. 753a Satz 1 ZPO verweise ausdrücklich darauf, dass die betreffende Vollmacht nur bestätigt, nicht aber durch eine Originalvollmacht nachgewiesen werden müsse. Ob dies auch die Vollmacht zur Entgegennahme von Geld umfasst, ist in der Fachliteratur umstritten. Es gibt zwei Meinungen,

753a Satz 1 ZPO betrifft nur die Vollmacht (z.B. LG Stuttgart, Beschluss vom 15.10.2021, Az.: 10 T 369/21) oder
753a Satz 1 ZPO erfasst auch die Geldempfangsvollmacht (z.B. AG Mettmann, Beschluss vom 12.10.2022, Az.: 6 M 511/22).

Das Landgericht Paderborn schloss sich der letztgenannten Auffassung an. Es legte 753a Satz 1 ZPO  so aus, dass Bevollmächtigte, zu denen auch im Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassounternehmen gehören (§ 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO), nach Bestätigung der Vollmacht zur Entgegennahme des Geldes berechtigt sind, auch wenn sie das Original nicht vorlegen.