Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (Teil 1)

Aufenthaltsermittlung durch Gerichtsvollzieher

Bisher mussten Gläubiger sich selbst mühsam auf die Suche nach dem Verbleib des Schuldners machen, wenn der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge einen Zwangsvollstreckungsauftrag retournierte. Das soll sich ändern. 

Nunmehr kann in Zukunft auch die Ermittlung des neuen Aufenthaltsorts des Schuldners auf den Gerichtsvollzieher delegiert werden. Der § 755 ZPO n.F. räumt dem Gerichtsvollzieher dazu eine Reihe von Kompetenzen ein.

§ 755 Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners

(1) Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher auf Grund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben.

(2) Soweit der Aufenthaltsort des Schuldners nach Absatz 1 nicht zu ermitteln ist, darf der Gerichtsvollzieher

1. zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug oder Fortzug des Schuldners und anschließend bei der gemäß der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister aktenführenden Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Schuldners,

2. bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung die dort bekannte derzeitige Anschrift, den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort des Schuldners sowie

3. bei dem Kraftfahrt-Bundesamt die Halterdaten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes

erheben. Die Daten nach Satz 1 Nr. 2 und 3 darf der Gerichtsvollzieher nur erheben, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 Euro betragen; Kosten der Zwangsvollstreckung und Nebenforderungen sind bei der Berechnung nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind."


Die Reform der Sachaufklärung bringt neue Kompetenzen für den Gerichtsvollzieher. Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher künftig nach § 755 Abs. 1 ZPO aufgrund des Vollstreckungsauftrages und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zunächst den Aufenthaltsort des Schuldners bei der Meldebehörde, d.h. dem örtlichen Einwohnermeldeamt, ermitteln. Erfragen darf er dort die gegenwärtigen Anschriften zu dessen Haupt- und Nebenwohnungen.

Die neue Kompetenz des Gerichtsvollziehers umfasst dabei drei Fälle:

  • der Wohn- und Aufenthaltsort des Schuldners ist schon vor der Beauftragung des Gerichtsvollziehers unbekannt;
  • der Gerichtsvollzieher trifft den Schuldner bei dem Versuch der Sachpfändung nicht an und stellt fest, dass er unbekannt verzogen ist;
  • dem Gerichtsvollzieher ist aufgrund anderer Vollstreckungsaufträge bereits bekannt, dass der Schuldner unbekannt verzogen ist.

Ist der Schuldner unbekannt verzogen, ist der Gerichtsvollzieher künftig- im Rahmen eines  Vollstreckungsauftrages befugt, bei der Meldebehörde eine neue Anschrift zu erfragen.

Lässt sich dort keine neue Anschrift ermitteln, kann der Gerichtsvollzieher sowohl beim  Ausländerzentralregister, bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen und auch beim Kraftfahrt-Bundesamt  eine aktuelle Anschrift des Schuldners erheben.

Hinweis: Geburtsdatum der Kunden wird bedeutsam!
Die Rentenversicherungsträger können regelmäßig nur dann erteilen, wenn das  Geburtsdatum des Schuldners mitgeteilt wird.

Wenn Sie es nicht schon jetzt tun, sollten Sie daher in Zukunft bereits bei Beginn der Kundenbeziehung das Geburtsdatum abgefragt werden. 

Zwei Einschränkungen bestehen jedoch:

  1. Diese Ermittlungen führt der Gerichtsvollzieher allerdings nicht von Amts wegen durch, sondern nur auf Antrag des Gläubigers durch.
     
  2. Eine Anfrage bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Kraftfahrt-Bundesamt oder einem Kreditinstitut darf der Gerichtsvollzieher nur dann stellen, wenn die zu vollstreckende Forderungen mindestens 500 Euro beträgt, § 755 Abs. 2 S. 2 ZPO n.F.

Umsonst wird der Gerichtsvollzieher freilich nicht tätig. Nach dem Gerichtsvollzieherkostengesetz (GvKostG) darf der Gerichtsvollzieher für jede dieser Tätigkeiten 10 Euro in Rechnung stellen.

Es stellt sich die Frage  der Wirtschaftlichkeit.

In der Vollstreckungspraxis der Inkassounternehmen, wird die Abfrage der Meldebehörden durch den Gerichtsvollzieher kaum von Interesse sein. Zum Einen greifen  Inkassounternehmen auf professionelle Auskunftsdienste zurück, die die Auskunft weit kostengünstiger erteilen als der Gerichtsvollzieher. Zum anderen wenden sich die Inkassodienste regelmäßig persönlich an die Einwohnermeldeämter, so dass die Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers erspart werden können. Dies gilt insbesondere im für den Fall, dass schon vor der Beauftragung des Gerichtsvollziehers der Aufenthalt des Schuldners unbekannt ist.

§ 10 GvKostG bestimmt in seiner neuen Fassung, dass jede Auskunft als eigene Angelegenheit zu betrachten ist. Damit erhält der Gerichtsvollzieher für jede Form der Aufenthaltsvermittlung wiederum eine Gebühr in Höhe von 10 EUR nach Nr. 440 KV GvKostG nebst Auslagenpauschale in Höhe von 3,00 EUR. Hinzu kommen in jedem Einzelfall die Kosten der Auskunftsstelle von 10,20 EUR. Allein das Bundesverwaltungsamt geht für das Ausländerzentralregister wohl von einer besonderen Form der Amtshilfe aus, so dass keine gesonderten Gebühren mehr anfallen. Ob daran angesichts des Umstandes, dass andere Behörden Auslagen erheben, festgehalten wird, muss abgewartet werden. Insgesamt kann die Einholung aller vier Auskünfte also Gebühren und Auslagen beim Gerichtsvollzieher von 52,00 EUR verursachen sowie Auslagen der Auskunftsstellen in gleicher Höhe. Insgesamt würde die Ermittlung des Aufenthaltes des Schuldners dann über 100,00 EUR kosten.

Das wird in vielen Fällen unwirtschaftlich sein, da die Kosten der weiteren Vollstreckung noch hinzukommen.