Gesamtschuldnerausgleich trotz verjährter Hauptforderung

Der Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners, der den Anspruch des Gläubigers erfüllt hat, wird nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichshofs grundsätzlich nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner verjährt ist.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte bereits das Oberlandesgericht München dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin gegen den beklagten Gesamtschuldner bereits im Jahr 2000 verjährt sind, für den nach § 67 VVG a.F. auf die Klägerin übergegangenen Ausgleichsanspruch der Versicherungsnehmerin. Zu Recht, wie jetzt der BGH befand:

§ 426 Abs. 1 BGB gewährt einen selbständigen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Gesamtschuldnern, der auch der selbständigen Verjährung unterliegt. Die Verjährungsfrist bestimmt sich nach der allgemeinen Vorschrift über die regelmäßige Verjährung (§ 195 BGB) und ist von der Verjährung des nach § 426 Abs. 2 BGB übergeleiteten Anspruchs des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen unabhängig. Eine Anpassung der Verjährungsfrist dahingehend, dass der Ausgleichsanspruch mit dem übergeleiteten Anspruch des Gläubigers verjährt, findet im Gesetz keine Grundlage.

Der Ausgleichsanspruch wird auch nicht in anderer Weise davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen verjährt ist.

Entgegen der Auffassung der Revision ist der Ausgleichspflichtige nicht wie hinsichtlich des nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruchs berechtigt, dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner alle Einreden entgegenzuhalten, die sich aus dessen Verhältnis zum Gläubiger ergeben. Indem das Gesetz in § 426 Abs. 1 BGB einen selbständigen Ausgleichsanspruch schafft, gewährt es dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner eine Rechtsposition, die er allein durch die Überleitung des Gläubigeranspruchs nach § 426 Abs. 2 BGB nicht erhielte. Diese Begünstigung würde dem Anspruchberechtigten wieder genommen, wenn der Anspruch denselben Beschränkungen unterläge wie der übergeleitete Gläubigeranspruch.

Die Verjährung des gegen den Beklagten gerichteten Gläubigeranspruchs kann nicht zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners wirken. Dieser ist an der Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem weiteren Gesamtschuldner nicht beteiligt. Die Disposition, die der Gläubiger innerhalb dieses Rechtsverhältnisses durch (bewusstes oder unbewusstes) Verjährenlassen seiner Forderung gegenüber dem einen Gesamtschuldner trifft, kann nicht das Innenverhältnis der Gesamtschuldner zum Nachteil des anderen gestalten.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dem Gläubiger, dessen Forderung gegen einen Gesamtschuldner schon vor der Leistung des anderen Gesamtschuldners verjährt sei, stehe deswegen unter Umständen gegen den anderen Gesamtschuldner nur ein reduzierter Anspruch zu. Dem Ausgleichsberechtigten könnte dann entgegengehalten werden, er habe (ganz oder teilweise) auf eine nicht bestehende Schuld geleistet und müsse insoweit den Gläubiger auf Rückzahlung in Anspruch nehmen. Ob dies aufgrund besonderer Umstände der Fall sein kann, bedarf keiner Entscheidung. Umstände, die eine Reduzierung des Gläubigeranspruchs rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

Der Gläubiger kann nach § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder teilweise verlangen. Die Regelung trägt seinem Interesse Rechnung, nicht dadurch beeinträchtigt zu werden, dass mehrere Beteiligte auf der Schuldnerseite stehen. Macht er von seinem Recht Gebrauch, nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern vorzugehen, und verjährt infolge seiner Untätigkeit gegenüber dem anderen Gesamtschuldner seine gegen diesen bestehende Forderung, kann ihm dies grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen. Allenfalls wenn sich das Verhalten des Gläubigers als rechtsmissbräuchlich darstellt, könnte eine Wirkung für den Anspruch gegen den anderen Gesamtschuldner bejaht werden. Allein das Verstreichen lassen der Verjährungsfrist, sei es wissentlich, aus Unkenntnis oder aus mangelnder Sorgfalt, genügt hierfür nicht. Andernfalls wäre der Gläubiger gehalten, gegen jeden Gesamtschuldner verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen, wovon ihn die Vorschriften über die Gesamtschuld, insbesondere § 425 BGB, gerade freistellen.

Es muss daher hingenommen werden, dass der Ausgleichsverpflichtete im Innenausgleich im Endergebnis zur Leistung herangezogen werden kann, obwohl er sich dem Gläubiger gegenüber auf die Verjährung des Anspruchs berufen kann. Das ist ersichtlich im Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht anders gesehen worden. So hat sich der Rechtsausschuss mit der Frage beschäftigt, ob die neuen Verjährungsregeln auch beim Gesamtschuldnerausgleich zu zweckmäßigen Ergebnissen führen. Er hat darauf hingewiesen, dass die Verkürzung der Verjährung von dreißig Jahren auf drei Jahre sachgerecht ist. Änderungsvorschläge, wie sie im Vorfeld der Schuldrechtsmodernisierung im Abschlussbericht der Schuldrechtskommission aus dem Jahre 1992 erarbeitet worden sind, sind im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgenommen worden. Im Abschlussbericht war eine Regelung vorgeschlagen worden, wonach der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wie der Anspruch des Gläubigers gegen den ausgleichsverpflichteten Gesamtschuldner verjährt. Es sollten jedoch Ausnahmetatbestände gelten, die es dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner für kurze Zeit erlauben, den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner auch dann noch in Anspruch zu nehmen, wenn der Anspruch des Gläubigers gegen den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner verjährt ist (§ 426a-KE).

Die Verjährung des Ausgleichsanspruchs

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlich zuständigen Landgerichts München  sowie des als Berufungsgerichts zuständigen Oberlandesgerichts München ist für den Beginn der Verjährung des Ausgleichsanspruchs dessen Entstehung in Form der Mitwirkung und Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der L. GmbH und nicht erst die Zahlung der Klägerin an die Berechtigten maßgeblich.

Nach gefestigter Rechtsprechung entsteht der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld. Er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um.

Wie der BGH nach Erlass des Berufungsurteils des OLG München entschieden hat, folgt hieraus, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden.

Quelle: BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – VII ZR 109/08